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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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auf die Insel zurück, um den Rest der Nacht einen Sieg zu feiern, von dem sie annahmen, daß er vollständig sei. Die Priester unserer Stadt und der größte Teil der Bevölkerung waren noch vor der Pyramide von Tlaltelólco versammelt, wo sie zum Schein eine Zeremonie gefeiert hatten, die unsere Feinde hatte ablenken sollen. Jetzt waren sie nur allzu bereit, in großen Scharen zum Herzen Der Einen Welt zu ziehen, um dort vor der Großen Pyramide eine richtige Dankzeremonie zu feiern. Auch Béu und ich verließen, als wir die frohen Rufe der zurückkehrenden Krieger hörten, unser Haus, um daran teilzunehmen. Und Tlaloc – gleichsam als wolle er dem Jubel seiner Anhänger besser zusehen – hob den Vorhang seines Regens auf.
    In normalen Zeiten hätten wir es nicht gewagt, irgendeine Zeremonie auf dem Großen Platz zu feiern, bis nicht jeder Stein, jedes Standbild und noch der geringste Gebäudeschmuck geschrubbt, vom letzten Schmutzfleck gesäubert und von jeder möglichen Besudelung befreit worden wäre, bis Das Herz Der Einen Welt strahlte, auf daß es den Beifall und das Wohlgefallen der Götter finde. Doch in dieser Nacht bot sich der riesige Platz im Schimmer der Fackeln und Urnenfeuer als ein einziger Haufen Unrat dar. Überall lagen Leichen oder Leichenteile herum, weißhäutige ebenso wie kupferfarbene: außerdem viele Eingeweide, graurosa und graublau, so daß man nicht sagen konnte, von wem sie stammten. Überall lagen zerbrochene oder fortgeworfene Waffen herum, Exkremente der verängstigten Pferde und Menschen, welche sich im Sterben entleert hatten, und das streng riechende Bettzeug, die Kleidung und die anderen Habseligkeiten der Spanier. Aber die Priester erhoben keinen Einspruch gegen diesen grausigen Hintergrund für die Feier, und die Menschen strömten herbei, ohne allzu großen Abscheu vor den häßlichen Dingen zu bekunden, auf die sie oder in die sie traten. Wir waren alle überzeugt, daß die Götter gleichfalls dieses eine Mal keinen Anstoß an dem verheerenden Zustand des Platzes nehmen würden, waren es doch nicht nur unsere, sondern auch ihre Feinde gewesen, welche wir hier besiegt hatten.
    Ich weiß, es hat euch immer mit Abscheu erfüllt, wenn ich beschrieben habe, wie Menschen geopfert wurden, ehrwürdige Patres, selbst wenn es sich um Opfer der von eurer Kirche verachteten Heiden handelte, und deshalb will ich mich nicht lange bei der Opferung eurer eigenen Landsleute aufhalten, die begann, als Tonatíu sich strahlend von seinem Lager erhob. Ich will nur sagen – selbst wenn wir in euren Augen damit als sehr töricht dastehen –, daß wir auch die ungefähr vierzig Pferde opferten, welche die Soldaten zurückgelassen hatten – denn, versteht ihr, wir konnten ja nicht ganz sicher sein, ob sie nicht auch gewissermaßen Christen wären. Ich sollte vielleicht auch noch sagen, daß die Pferde wesentlich würdevoller in den Blumentod gingen als die Spanier, die sich wehrten, als man sie auszog, und fluchten, als man sie die Treppe hinaufschleifte, und wie die Kinder weinten, als sie über den Opferstein gelegt wurden. Unsere Krieger erkannten einige der weißen Männer, welche am tapfersten gegen sie gekämpft hatten, und nachdem diese Männer gestorben waren, wurden ihre Schenkel abgeschnitten, um sie zu sieden und …
    Aber vielleicht mindert es euren Abscheu, meine Herren Skribenten, wenn ich euch versichere, daß die meisten der Leichen einfach den Tieren im Tierhaus der Stadt vorgeworfen wurden …
    Sehr wohl, ehrwürdige Herren, ich werde mich jetzt also den weniger glanzvollen Ereignissen dieser Nacht zuwenden. Während wir den Göttern Dank sagten, daß wir die Fremden nun endlich los wären, ahnten wir nicht, daß unsere Heere auf dem Festland sie nicht vernichtet hatten. Cortés saß immer noch in Tlácopan und blies Trübsal, da wurde er aus seinem Kummer herausgerissen durch den Lärm seiner anderen fliehenden Truppen – der Acólhua und Totonáca oder dasjenige, was von ihnen übriggeblieben war –, welche von den Xochimilca und Chalca nach Norden gejagt wurden. Cortés und seinen Offizieren und Malintzin – die ohne Zweifel lauter schrie, als sie jemals in ihrem Leben hatte schreien müssen – gelang es, die heillose Flucht aufzuhalten und einigermaßen so etwas wie Ordnung herzustellen. Dann führten Cortés und seine weißen Männer – einige zu Pferde, andere zu Fuß, manche humpelnd und manche auf Tragbahren – die Eingeborenentruppen, welche wieder richtige

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