Der Azteke
Formationen bildeten, weiter nach Norden, ehe ihre Verfolger sie hatten einholen können. Und diese Verfolger, welche vermutlich glaubten, daß die Flüchtenden auch von anderen Streitkräften des Dreibunds zerschlagen werden könnten, oder weil auch sie darauf versessen waren, endlich mit ihren Siegesfeiern zu beginnen, ließen die Flüchtenden laufen.
Irgendwann gegen Morgengrauen am nördlichen Ausläufer des Tzumpánco-Sees erkannte Cortés, daß er ausgerechnet den mit uns verbündeten Tecpanéca dicht folgte. Und sie, welche wiederum den ihm verbündeten Texcaltéca dicht auf den Fersen waren, waren alles andere als erbaut, als sie überrascht feststellten, daß sie zwischen zwei feindlichen Streitkräften dahinzogen. In der Annahme, daß irgend etwas mit dem Schlachtplan schiefgelaufen sein müsse, brachen auch die Tecpanéca die Verfolgung ab, schlugen sich in die Büsche und kehrten heim nach Tlácopan.
Cortés holte zuletzt seine Texcaltéca ein, und so war seine gesamte Streitmacht wieder beisammen, wenn auch beträchtlich geschrumpft und in sehr gedrückter Stimmung. Immerhin mag es Cortés einigermaßen erleichtert haben, daß seine besten Eingeborenentruppen, die Texcaltéca, die geringsten Verluste erlitten hatten – eben, weil sie die besten Kämpfer waren. Ich kann mir denken, was Cortés dabei durch den Kopf ging:
»Wenn ich nach Texcála ziehe, wird der alte König Xicoténca anerkennen, daß ich die meisten Krieger, welche er mir zur Verfügung gestellt hat, gerettet habe. Folglich wird er nicht allzu böse und zornig auf mich sein können oder mir vorhalten, ich hätte völlig versagt. Vielleicht kann ich ihn sogar bewegen, dem Rest von uns dort Zuflucht zu gewähren.«
Ob er nun so gedacht hat oder nicht – auf jeden Fall führte Cortés seine erschreckend mitgenommenen Truppen um den Nordrand der Seen herum nach Texcála. Auf diesem langen Marsch erlag noch eine ganze Anzahl von Verwundeten ihren Verletzungen, und alle litten beträchtlich, denn sie machten klugerweise einen großen Umweg, mieden jeden größeren Ort und konnten daher nicht hingehen und um Nahrung bitten oder sie verlangen. Sie waren gezwungen, sich von wilden Tieren und Pflanzen zu ernähren, die sie fanden, und mindestens einmal mußten sie sogar einige von ihren kostbaren Pferden und Jagdhunden schlachten und verzehren.
Nur einmal wurden sie auf diesem langen Marsch in einen Kampf verwickelt. An den Ausläufern der Berge im Osten wurden sie von einer Streitmacht von Acólhua-Kriegern aus Texcóco überrascht, die dem Dreibund noch treu waren. Aber diesen Acólhua mangelte es sowohl an einem Anführer als auch dem Anreiz, überhaupt zu kämpfen, und so verlief dieses Gefecht nahezu so unblutig wie ein Blumenkrieg. Als die Acólhua sich eine Reihe von Gefangenen gesichert hatten – alles Totonáca, glaube ich –, zogen sie sich vom Schlachtfeld zurück und kehrten heim nach Texcóco, um dort selbst ihren »Sieg« zu feiern. Infolgedessen wurde die Cortés noch verbliebene Streitmacht auf der zwölftägigen Flucht zwischen der Traurigen Nacht und ihrer Ankunft in Texcála nicht sonderlich verringert. Der erst vor kurzem zum Christentum übergetretene Herrscher dieses Volkes, der alte und blinde Xicoténca, hieß Cortés willkommen und gestattete ihm und seinen Truppen, so lange zu bleiben, wie er wollte. All diese Dinge, welche ich gerade eben erzählt habe und die sich alle zu unserem Nachteil auswirkten, waren uns in Tenochtítlan unbekannt, als wir in dem strahlenden Sonnenaufgang nach der Traurigen Nacht die ersten spanischen Xochimíqui zum Opferstein auf der Großen Pyramide hinaufschickten.
Es geschahen in besagter Traurigen Nacht auch noch andere Dinge, die, wenn auch nicht besonders traurig, so doch etwas waren, was nachdenklich stimmte. Wie ich berichtet habe, verlor das Volk der Mexíca seinen Verehrten Sprecher Motecuzóma. Aber auch der Verehrte Sprecher der Tlácopan, Totoquihuáztli, fand in dieser Nacht bei den Kämpfen den Tod. Und der Verehrte Sprecher von Texcóco, Cacáma, welcher zusammen mit den Acólhua gekämpft hatte, die er Tenochtítlan zur Verfügung gestellt, wurde gleichfalls unter den Toten gefunden, als unsere Sklaven sich an das grausige Werk machten. Das Herz Der Einen Welt von dem ganzen Unrat der Nacht zu säubern. Keiner betrauerte sehr den Tod von Motecuzóma und seines Neffen Cacáma, doch war es schon ein beunruhigender Zufall, daß alle drei Herrscher des Dreibunds an einem
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