Der Azteke
Schatz der Azteken« besäße, der bei weitem reichste aller reichen Männer in eurer Alten Welt sein würde.
Aber wo ist er? Nun, die alte Dammstraße erstreckt sich auch heute noch von hier nach Tlácopan – oder Tácuba, wie ihr die Stadt lieber nennt. Wiewohl kürzer als damals, ist die westlichste Kanudurchfahrt immer noch da, und das ist die Stelle, wo viele spanische Soldaten vom Gewicht des Goldes in ihrem Gepäck, ihren Wämsern und Stiefeln in die Tiefe gezogen wurden. Selbstverständlich müssen sie in den elf Jahren, welche seither vergangen sind, tief im Schlick auf dem Grund des Sees versunken sein und noch tiefer unter den Ablagerungen liegen, welche sich in denselben Jahren dort unten gesammelt haben. Wer jedoch habgierig genug ist und genügend Kraft aufbringt, um dort hinabzutauchen und zu graben, müßte viele gebleichte Knochen und unter ihnen viele edelsteingeschmückte goldene Diademe, Medaillons, Figürchen und dergleichen finden. Vielleicht nicht genug, um es mit König Carlos oder Papst Clemens aufnehmen zu können, aber genug, so daß er nie mehr habgierig zu sein brauchte.
Für jeden von echter Habgier getriebenen Schatzsucher wurde der größere Teil der Beute auf Cortés' Befehl an der ersten, in der Stadt am nächsten gelegenen Acáli-Durchfahrt in den See geworfen. Der Verehrte Sprecher Cuitláhuac hätte hinterher Taucher hinabschicken können, um ihn wieder herauszuholen, und vielleicht hat er das auch getan, doch habe ich gute Gründe, das zu bezweifeln. Auf jeden Fall starb Cuitláhuac, bevor Cortés ihn fragen konnte – entweder höflich oder unter Anwendung nachdrücklich überzeugender Methoden. Und wenn irgendwelche Mexíca-Taucher den Schatz des Volkes aus dem See herausgeholt haben, so sind diese Männer entweder gleichfalls gestorben oder bewahren in dieser Beziehung absolutes Schweigen.
Ich glaube, der größte Teil des Schatzes liegt immer noch dort, wo Cortés ihn in der Traurigen Nacht in die Tiefe werfen ließ. Doch als Tenochtitlan später dem Erdboden gleichgemacht wurde und auch hinterher, als die Trümmer fortgeräumt wurden, um die Stadt im spanischen Stil wiederaufzubauen, wurden die Überreste Tenochtítlans, die man nicht gebrauchen konnte, einfach über den Rand der Insel in den See gekippt – teils, damit sie euren Baumeistern nicht im Wege wären, teils auch, um die Oberfläche der Insel zu vergrößern. Dadurch wurde die Dammstraße nach Tlácopan verkürzt, und die der Stadt am nächsten gelegene Acáli-Durchfahrt liegt jetzt zugeschüttet da. Wenn ich mit meinen Berechnungen, wo der Schatz liegen müßte, recht habe, müßte er sich irgendwo in der Tiefe unter den Grundmauern der eleganten und herrschaftlichen Häuser befinden, welche die heutige Avenida Calzada Tácuba säumen.
Soviel ich auch im einzelnen von den Dingen erzählt habe, welche sich in der Traurigen Nacht abspielten, ein Ereignis habe ich nicht berichtet, eines, welches ganz allein die Zukunft Der Einen Welt bestimmte. Es handelte sich um den Tod nur eines einzigen Mannes. Er war niemand Bedeutendes. Wenn er einen Namen hatte – ich habe ihn nie gehört. Vielleicht hat er in seinem ganzen Leben weder etwas Rühmens- noch etwas Tadelnswertes getan – außer, daß seine Wege und Tage ausgerechnet hier enden mußten, wobei ich noch nicht einmal weiß, ob er tapfer starb oder feige. Doch als Das Herz Der Einen Welt am nächsten Tag gesäubert wurde, fand man seine von einem Maquáhuitl erschlagene Leiche, und die Sklaven schrien auf, als sie ihn fanden, weil er weder ein weißer Mann war noch einer von unserer Rasse, und weil diese Sklaven ein solches Wesen noch nie zuvor erblickt hatten. Ich hingegen hatte das. Er war einer von jenen unglaublich schwarzen Männern, welche zusammen mit Narváez aus Cuba gekommen waren; und es handelte sich um jenen, vor dessen verwüstetem Gesicht ich zurückgeschreckt war.
Heute lächle ich – kläglich und geringschätzig zwar, aber immerhin, ich lächle –, wenn ich sehe, wie stolz und aufgeblasen Hernán Cortés, Beltrán de Cuzmán und Pedro de Alvarado und all die anderen spanischen Veteranen daherkommen, welche sich heute brüsten, die eigentlichen conquistadores zu sein. O gewiß, sie haben manch kühne und verwegene Tat getan, das kann ich nicht leugnen. Daß Cortés seine eigenen Schiffe nach seiner Ankunft hier in Brand steckte, ist eine Tat, die an Waghalsigkeit wohl so leicht von niemand übertroffen wird, nicht einmal von irgendeiner
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