Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
gezwungen gewesen, viele von ihnen vorher zu verzehren. Trotzdem waren noch viele erstaunliche Tiere, Vögel und Reptilien zurückgeblieben. Manche von ihnen sind heute vielleicht nicht mehr zu bekommen, solltet ihr Spanier jemals beschließen, ein ähnliches Schauhaus zu errichten. So gab es in der Tierhalle damals zum Beispiel einen vollkommen weißen Jaguar, eine Seltenheit, welche wir Mexíca nie zuvor gesehen hatten und die vielleicht nie wieder ein Mensch zu sehen bekommen wird.
    Cuautémoc, der sehr wohl wußte, wie entkräftet seine Krieger waren, hatte vorgehabt, nur mehr Rückzugskämpfe zu bestreiten, das Vorrücken des Gegners so weit wie möglich in die Länge zu ziehen und dabei so viele Eindringlinge zu töten wie nur irgend möglich. Aber die Krieger selbst waren dermaßen außer sich vor Wut über die Entweihung Des Herzens Der Einen Welt, daß sie weit über ihre Befehle hinausgingen. Ihr Zorn verlieh ihnen noch einmal soviel Kraft, und so tauchten sie mehrere Male aus den Trümmern um den Großen Platz herum auf, stießen ihre Kriegsschreie aus und trommelten gegen ihre Schilder und griffen wieder an, statt nur zu verteidigen. Selbst unsere Frauen waren außer sich vor Empörung, warfen von den Hausdächern Wespennester und Steine und andere unaussprechliche Dinge auf die Schänder hinab.
    Zwar gelang es unseren Kriegern in der Tat, einige von den gegnerischen Soldaten und von den Arbeitern zu töten, und vielleicht hat das ihr Zerstörungswerk ein wenig verlangsamt. Weit mehr Männer fielen jedoch dabei, und sie wurden auch jedesmal wieder zurückgeworfen.
    Gleichwohl, um sie von weiteren solchen Unternehmungen abzuhalten, schickte Cortés seine Kanonen weiter in Richtung Norden, auf daß sie noch mehr von der Stadt hinwegfegten, und seine Soldaten und Hunde und die Arbeitstrupps mußten den Kanonen folgen, um das, was noch stehengeblieben war, dem Erdboden gleichzumachen. Und weil sie plötzlich die Richtung wechselten, kam es, daß sie versäumten, dieses Haus des Gesanges abzureißen, in welchem wir heute sitzen, und noch ein paar andere Gebäude ohne besondere Bedeutung hier auf der Südhälfte der Insel.
    Doch es blieben nirgends viele Häuser stehen, und diese wenigen ragten aus der eingeebneten Ödnis auf wie die letzten weit auseinanderstehenden Zähne im Kiefer eines alten Mannes, und mein Haus war nicht darunter. Ich nehme an, ich sollte froh sein, daß ich, als mein Haus fiel, nicht darin war. Zu der Zeit hatte die gesamte noch verbliebene Bevölkerung im Tlatelólco-Viertel Schutz gesucht, und zwar genau in der Mitte, um sich so weit wie möglich von dem ständigen Hagel von Kanonenkugeln und Feuerpfeilen von den uns umkreisenden Kriegsbooten entfernt zu halten. Die Krieger und die Kräftigeren von den Überlebenden lebten im Freien auf dem Marktplatz, wohingegen alle Frauen und alle Schwächeren sich in den bereits von den Nachbarn, welche hier Schutz gesucht hatten, überbelegten Häusern zusammendrängten. Cuautémoc und sein Hof lebten in dem alten Palast, der einst Moquihuix, dem letzten Herrscher von Tlaltelólco gehört hatte, als Tlaltelólco noch eine unabhängige Stadt gewesen war. Als Edelmann war auch mir eine kleine Kammer darin zugewiesen worden, welche ich mit Béu teilte. Wiewohl sie abermals Einspruch dagegen erhoben hatte, aus ihrem Haus herausgeholt zu werden, hatte ich sie auf meinen Armen dorthin getragen. Und so stand ich zusammen mit Cuautémoc und vielen anderen oben auf der Pyramide von Tlaltelólco und blickte hinüber, als Cortés' Arbeitstrupps in das Ixacuálco-Viertel eindrangen, in welchem ich gelebt hatte. Des Kanonenrauchs und des Kalkstaubs wegen konnte ich nicht genau sehen, wann mein Haus einstürzte. Doch als der Feind am Ende dieses Tages abzog, war das Ixacuálco-Viertel genauso wie der größte Teil der Südhälfte eine Wüste.
    Ich weiß nicht, ob Cortés hinterher darüber aufgeklärt wurde, daß jeder reiche Pochtécatl unserer Stadt in seinem Hause eine verborgene Schatzkammer hatte – wie auch ich. Damals jedenfalls hat er das ganz offensichtlich nicht gewußt, denn seine Arbeitstrupps rissen unterschiedslos und aufs Geratewohl jedes Haus ein, und in dem Rauch und dem Staub, welche aufwölkten, sobald es zusammenbrach, erhaschte niemand jemals einen Blick von den Paketen oder Ballen mit Gold und Edelsteinen, Federn und Farbstoff und dergleichen, die unter den Trümmern noch unsichtbarer vergraben und später bei den Aufräumungsarbeiten und

Weitere Kostenlose Bücher