Der Azteke
Azcapotzálco zu. Da dort nur sehr wenige menschliche Behausungen standen, wurde sie vermutlich nicht von einem von Cortés' Lagern oder Wachen bewacht, und es hätte Cuautémoc nicht sonderlich schwerfallen dürfen, von dort ins Landesinnere zu verschwinden und sich nach Aztlan durchzuschlagen.
Doch die Kriegsboote, welche beobachtet hatten, wie plötzlich die vielen Acáltin von der Insel ablegten, wendeten und begannen, geschäftig zwischen ihnen hin- und herzufahren und versuchten herauszubekommen, ob sie wirklich auf der Flucht wären. Und wie das Schicksal es wollte, war einer der Schiffskapitäne scharfsinnig genug zu erkennen, daß einer der Insassen in einem der Kanus eigentlich zu reich gekleidet war, um ein einfacher Krieger zu sein. Dieses Boot warf Eisenhaken und zog das Kanu längsseits, holte den Verehrten Sprecher an Bord und brachte ihn geradenwegs vor den Capitán-General Cortés.
Ich war bei dieser Begegnung nicht zugegen, erfuhr jedoch später, daß Cuautémoc über den Dolmetsch Malintzin gesagt habe: »Ich habe mich nicht ergeben. Daß ich Euch zu entkommen trachtete, tat ich nur um meines Volkes willen. Aber Ihr habt mich ehrlich erwischt.« Er zeigte auf den Dolch an Cortés' Gürtel. »Da ich im Kriege gefangengenommen worden bin, verdiene ich – und verlange ich – den Tod eines Kriegers. Ich bitte Euch, mich zu töten, hier, wo ich stehe.«
Im Sieg großmütig, oder zumindest überschwenglich, sagte Cortés: »Nein, Ihr habt Euch nicht ergeben und Ihr habt nicht aufgehört zu herrschen. Ich lehne es ab, Euch zu töten, und ich bestehe darauf, daß Ihr die Herrschaft über Euer Volk beibehaltet. Laßt uns Eure Stadt zusammen in neuer Pracht und Größe aufbauen, mein erlauchter Herr Cuautémoc.«
Cortés hat den Namen vermutlich Guatemoc ausgesprochen, jedenfalls hat er es später immer getan. Ich glaube, ich habe schon vor langer Zeit erwähnt, ehrwürdige Patres, daß Cuautémoc Rauschender Adler bedeutet, doch ich glaube, es war unvermeidlich und wohl auch passend, daß der Name unseres letzten Verehrten Sprechers nach diesem Tag – nach unserem Kalender der Tag Ein Schlange des Jahres Drei Haus; nach eurem Kalender der dreizehnte Tag des August im Jahre eintausendfünfhundertundeinundzwanzig – immer als Stürzender Adler ins Spanische übersetzt wurde.
Nach dem Fall von Tenochtítlan änderte sich im größten Teil Der Einen Welt eine ganze Zeitlang nicht viel. Außerhalb des zum Dreibund gehörenden Gebietes war kein anderer Teil dieser Lande so sehr verwüstet worden wie dieser, und es gab vermutlich sogar noch viele andere Teile, wo die Leute sich noch gar nicht bewußt geworden waren, daß sie nicht mehr in Der Einen Welt lebten, sondern in einem Land namens Neuspanien. Wiewohl sie grausam von den geheimnisvollen neuen Krankheiten heimgesucht wurden, bekamen sie nur selten einen Spanier oder einen Christen zu sehen, wurden ihnen auch keine neuen Gesetze oder Götter aufgezwungen und fuhren sie in ihrer gewohnten Lebensweise fort. Sie ernteten, jagten oder fingen Fische, wie sie es all die vielen Schock Jahre zuvor getan hatten.
Doch in den Landen des Seenbeckens änderte sich das Leben sehr, und es war hart, und es wurde niemals leichter, und ich bezweifle, daß es das überhaupt jemals werden wird. Von dem Tag nach Cuautémocs Gefangennahme an richtete Cortés seine ganze Aufmerksamkeit und Energie – unsere Energie, sollte ich vielleicht zutreffender sagen – auf den Wiederaufbau dieser Stadt. Denn er verfügte, da es ja ausschließlich die Schuld von uns störrischen Mexíca sei, daß Tenochtítlan zerstört worden war, solle ihre Wiedererstehung als Stadt Mexíco ganz allein auf unseren Schultern liegen. Wenn auch seine Baumeister die Pläne zeichneten und seine Handwerker die Arbeit überwachten und seine brutalsten Soldaten die Peitsche schwangen, damit sie getan werde, waren es unsere Leute, welche die Arbeit taten, waren wir es, welche das Baumaterial lieferten, und wenn wir nach getaner Arbeit essen wollten, war es an uns, auch dieses Essen zu beschaffen. Infolgedessen arbeiteten die Steinbrucharbeiter von Xaltócan härter, als sie es jemals in ihrem Leben zuvor getan hatten, und die Waldarbeiter schlugen die Hänge am Seeufer kahl, um Balken und Bretter zu schneiden, und unsere ehemaligen Krieger und Pochtéca wurden Furiere und Träger und schafften an Nahrungsmitteln und anderen lebensnotwendigen Dingen herbei, was sie aus den umliegenden Landen
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