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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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verlassen, welches sie nun schon seit geraumer Zeit hütete.
    »Ich bin weniger eine Last, wenn ich hier liege«, sagte Béu, »als wenn ich auf einem Tragstuhl von anderen getragen werden müßte, die selbst kaum laufen können. Auch ist es schon lange her, daß ich großen Hunger gehabt hätte; ich kann genausogut überhaupt nichts mehr essen. Vielleicht finde ich, wenn ich bleibe, sogar früher Erlösung von meiner schrecklichen langen Krankheit. Außerdem, Záa, hast du selbst auch einmal eine Gelegenheit abgelehnt, dich in Sicherheit zu bringen. Es mag töricht sein, hast du gesagt, aber ich möchte das Ende der Dinge erleben.« Sie lächelte schwach. »Willst du es mir jetzt abschlagen, nach all deinen Torheiten, mit denen ich mich habe abfinden müssen, die eine mit dir zu teilen, welche wahrscheinlich deine letzte sein wird?«
    Nach dem plötzlichen Auszug und dem Aussehen derer, die Tenochtítlan verlassen hatten, folgerte Cortés zurecht, daß auch die noch in der Stadt verbliebenen Bewohner beträchtlich geschwächt sein müßten. Infolgedessen trug er am nächsten Tag abermals einen direkten Angriff auf die Stadt vor, wenn auch diesmal nicht ganz so ungestüm wie zuvor. Der Tag begann mit dem schwersten Geschoßhagel, der überhaupt jemals auf uns herniedergegangen war; er muß seine Kanonen bis nahe heran an den Schmelzpunkt abgefeuert haben. Zweifellos hoffte er, daß wir noch lange in Deckung hocken würden, nachdem der verheerende Hagel aufgehört hatte. Aber selbst, als die Kanonen vom Festland her aufhörten zu feuern, ließ er seine Kriegsboote am Nordende der Insel kreuzen und jene Hälfte der Stadt von Geschossen eindecken, während seine Fußsoldaten über die südliche Dammstraße vorstürmten.
    Wir hockten nicht in unseren Schutzlöchern. Ja, was sie vorfanden, ließ die ersten Glieder der weißen Männer so unvermittelt in ihrem Lauf innehalten, daß die nachfolgenden recht unordentlich hinter ihnen aufliefen. Denn dort, wo die Eindringlinge auf die Insel gelangen konnten, hatten wir einen der fettesten Männer unter uns – nun, zumindest rundlich im Vergleich zu uns anderen – aufgestellt, und die Spanier sahen ihn dort einfach umherschlendern, zufrieden rülpsen und auf einem Hundeschenkel oder einer Kaninchenkeule oder einem ähnlichen Stück Fleisch herumkauen. Hätten die Soldaten es von nahem gesehen, würden sie erkannt haben, daß das Fleisch schon in einem schrecklich grünen Zustand war, da es seit langer Zeit für eine solche prahlerische Gelegenheit aufgehoben worden war.
    Aber sie sahen es nicht von nahem. Der fette Mann verschwand urplötzlich, und ein Haufe von wesentlich magereren Männern erhob sich unversehens aus den zerbrochenen Häusern und den Trümmern ringsum und schleuderten ihre Spieße. Wenn auch viele von den Angreifern in diesem Augenblick zu Boden gingen, preschten einige weiter vor, um sich plötzlich mit Maquáhuime bewaffneten Kriegern gegenüberzusehen; andere wichen zurück und wurden mit einem Pfeilhagel überschüttet. Alle, welche diese überraschend standhafte Verteidigung überlebten, zogen sich noch weiter zurück – bis aufs Festland. Ich bin sicher, sie meldeten das Auftauchen des wohlgenährten und immer noch essenden Mannes – und ich bin sicher, Cortés hat sich ausgeschüttet vor Lachen über diese rührende prahlerische Drohung unsererseits –, aber sie meldeten auch ganz sachlich, daß die Trümmer der Stadt ihren Verteidigern womöglich bessere Stellungen biete als die Stadt es getan haben würde, wäre sie noch heil und ganz.
    »Nun denn«, soll der Capitán-General einem späteren Bericht zufolge gesagt haben, »ich hatte gehofft, zumindest einen Teil davon zu retten, zum Ergötzen unserer Landsleute, welche später als Kolonisten hierherkommen. Aber wir werden sie dem Erdboden gleichmachen … jeden Stein und jedes Stück Holz darauf … es so sehr dem Erdboden gleichmachen, daß nicht einmal ein Skorpion ein Versteck darauf findet, aus dem er auf uns zukriechen. kann.«
    Und genau das tat er selbstverständlich, und zwar auf folgende Weise: Während die Kanonen von den Kriegsbooten weiterhin ihre Geschosse auf den Nordteil der Stadt abfeuerten, ließ Cortés auf den südlichen und westlichen Dammstraßen etliche seiner auf dem Festland aufgestellten Kanonen heranrollen; ihnen folgten die Soldaten, einige zu Fuß, andere zu Pferd, und alle begleitet von ihren Jagdhunden; und diesen wiederum folgten viele Männer, welche mit Äxten und

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