Der Azteke
eine Frau, eine Frau jedoch mit dem Gesicht und dem Gewinsel und dem Wesen eines Moskitos. Sie war eine von jenen Emporkömmlingen aus der untersten Schicht, welche dadurch zur Weißen-Nachäfferin geworden war, daß sie Spanisch gelernt und den Christennamen Florencia angenommen hatte. Da ihre einzige andere Sprache jedoch das Náhuatl war, nützte sie hier in der Fremde gar nichts, außer Nacht für Nacht einen der vielen spanischen Soldaten zu bedienen, welchen es nicht gelungen war, mit Geschenken oder dem Reiz der Neugier jüngere und begehrenswertere leichte Mädchen auf ihr Lager zu ziehen.
Eines Abends lagerten wir, nachdem wir uns Anfang Frühling den ganzen Tag lang durch einen besonders häßlichen und unangenehmen Morast hindurchgemüht hatten, auf einem trockenen Stück Boden in einem Hain von Ceiba-und Amatl-Bäumen. Wir hatten unsere Abendmahlzeit zu uns genommen und lagen um die verschiedenen Lagerfeuer herum, als Cortés herüberkam, sich neben mich hockte, mir kameradschaftlich den Arm um die Schulter legte und sagte.
»Sieh mal dort hinüber, Juan Damasceno. Ist das nicht wirklich ein bewundernswürdiger Anblick?« Ich hob meinen Topas vor die Augen und blickte in die angegebene Richtung: auf die drei Verehrten Sprecher, die – etwas abseits von den anderen – beisammen saßen. So hatte ich sie auf dieser Reise schon viele Male zusammensitzen sehen, wie sie offensichtlich über Dinge diskutierten, über welche Herrschern, welche nichts mehr haben, über das sie herrschen können, zu diskutieren bleibt. Cortés sagte: »So etwas bekommt man selbst in der Alten Welt kaum noch zu sehen – drei Könige, die friedlich beisammensitzen –, und vielleicht bekommt man es auch hier bald nie wieder zu sehen. Daran möchte ich gern eine Erinnerung haben. Zeichne mir ein Bild von ihnen, Juan Damasceno, einfach so, wie sie dasitzen, die Gesichter einander zugeneigt und in ernster Unterhaltung begriffen.«
Mir wollte das als eine harmlose Bitte erscheinen. Ja, es schien sogar von tiefer Einsicht zu zeugen, daß ein Mann wie Hernán Cortés einen Augenblick als erinnerungswürdig erkannte. Ich schälte also ein Stück Borke von einem der Amatl-Bäume und zeichnete auf der sauberen Innenseite mit einem verkohlten und angespitzten Aststück aus dem Feuer das beste Bild, welches ich mit solch rohem Material zeichnen konnte. Die drei Verehrten Sprecher waren jeder einzeln durchaus zu erkennen; ich fing ihren feierlichen Gesichtsausdruck ein, so daß jeder, welcher das Bild betrachtete, sofort erriet, daß sie von bedeutenden Dingen sprachen. Erst am nächsten Morgen hatte ich Grund zu beklagen, meinen Schwur von vor vielen Jahren gebrochen zu haben, nie wieder irgendwelche Bildnisse zu malen, damit ich den Abkonterfeiten kein Unglück bringe.
»Heute wird nicht marschiert, Leute«, verkündete Cortés, als wir aufstanden. »Heute haben wir die unangenehme Pflicht, ein Kriegsgericht abhalten zu müssen.«
Seine Soldaten machten ein ebenso verdutztes und erschrockenes Gesicht wie ich und die Verehrten Sprecher auch.
»Doña Florencia«, sagte Cortés und zeigte auf die einfältig lächelnde Frau, »hat sich die Mühe gemacht, die Unterhaltungen zwischen unseren drei erlauchten Gästen und den Häuptlingen der Dörfer, durch welche wir hindurchgekommen sind, mit anzuhören. Sie wird bezeugen, daß diese Könige mit den Völkern hier ein Komplott geschmiedet haben, um einen Massenaufstand gegen uns in die Wege zu leiten. Desgleichen habe ich dank Don Juan Damasceno« – er wedelte mit meinem Stück Borke herum – »eine Zeichnung, welche unwiderleglich beweist, daß sie sich verschwörerisch zusammengetan haben.«
Die drei Verehrten Sprecher hatten die niederträchtige Florencia nur mit einem verächtlichen Blick bedacht, doch die Augen, mit denen sie mich ansahen, waren voll Traurigkeit und Enttäuschung. Ich sprang vor und schrie: »Das stimmt nicht!«
Augenblicklich zog Cortés den Säbel und setzte mir die Spitze auf die Kehle. »Ich meine«, sagte er, »was diese Verhandlung betrifft, so dürften deine Zeugenaussagen und deine Übersetzung nicht ganz unparteiisch sein. Doña Florencia wird als Dolmetsch dienen – und du schweigst!«
Folglich bildeten sechs seiner Unterbefehlshaber das Tribunal, und Cortés brachte die Anklagen vor, während seine Zeugin Florencia die fadenscheinigen Beweise vorbrachte, auf welche sie sich stützten. Cortés hatte ihr im voraus gesagt, wie sie sich verhalten solle,
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