Der Azteke
Sprachen?« Ich sagte ja und ja und ja, woraufhin er tatsächlich einen Befehl gab: »Du wirst mich dort hinführen.«
»Capitán-General«, sagte ich. »Ich bin zweiundfünfzig Jahre alt. Das ist eine Reise für junge Männer voller Kraft und Unternehmungsgeist.«
»Tragstuhl und Träger werden bereitgestellt – und auch noch ein paar interessante Gefährten für dich«, sagte er, ließ mich einfach stehen, ging hin und wählte die Soldaten für diese Expedition aus, so daß ich nicht mehr dazu kam, ihm zu sagen, daß Tragstühle auf steilen Bergen und im Dschungelgewirr nicht zu gebrauchen sind.
Doch widersetzte ich mich nicht lange. Es müsse gut tun, eine letzte lange Reise durch diese Welt zu machen, ehe ich meine allerletzte und längste – bis in die nächste – antrat. Wenn auch Béu während meiner Abwesenheit einsam sein würde, so wußte ich sie doch in guten Händen und versorgt. Die Diener im Palast wußten, wie es um sie stand, pflegten sie liebevoll und gut und waren diskret; Béu brauchte nichts weiter zu tun, als achtzugeben, daß sie bei den hier lebenden Spaniern nicht auffiel. Und wenn ich selbst den Jahren nach auch schon alt war, fühlte ich mich doch noch keineswegs hinfällig. Wenn ich die Belagerung von Tenochtítlan hatte überstehen können, so sagte ich mir, konnte ich auch alle anderen Beschwernisse überstehen, welche mit Cortés' Expedition verbunden waren. Wenn das Glück mir hold war, konnte ich ihn dort sogar verlieren oder die Kolonne unter Völker führen, welche durch den Anblick weißer Männer dermaßen von Abscheu erfüllt wurden, daß sie uns alle umbrächten, und dann diente mein Tod sogar noch einem guten Zweck.
Was mich ein wenig verwirrte war, daß Cortés »interessante Gefährten« für mich erwähnt hatte, und an dem Herbsttag, an dem wir loszogen, war ich offen gestanden erstaunt, als ich sah, um wen es sich handelte: um die drei Verehrten Sprecher der drei Völker des Dreibunds. Ich überlegte, ob Cortés sie unbedingt mitnehmen wollte, weil er fürchtete, sie könnten während seiner Abwesenheit ein Komplott schmieden, oder weil er wollte, daß es Eindruck auf die Völker im Süden machen würde, wenn sie sähen, daß so erlauchte Persönlichkeiten so demütig in seinem Gefolge mitreisten.
Sie waren wirklich sehenswert, denn ihre reichgeschmückten Tragstühle waren auf so vielen der Reiseabschnitte derart ungefüge, daß die erlauchten Persönlichkeiten aussteigen und zu Fuß gehen mußten – und weil Cuautémoc für immer verkrüppelt war, als er von Cortés einer nachhaltig überzeugenden Behandlung unterzogen worden war. So wurde den Eingeborenen an vielen Orten auf dieser Reise der Anblick des Verehrten Sprechers Cuautémoc von den Mexíca geboten, wie er sich humpelnd und auf die Schultern zweier anderer gestützt vorwärtsbewegte: auf der einen Seite der Verehrte Sprecher Tétlapanquétzal von Tlácopan und auf der anderen der Verehrte Sprecher Cohuanácoch von Texcóco.
Doch keinem von den dreien kam je ein Wort der Klage über die Lippen, wiewohl sie nach einiger Zeit erkannt haben müssen, daß ich Cortés und seine Reiter und Fußsoldaten mit Absicht über schwierige Wege durch Lande führte, welche ich gar nicht kannte. Das tat ich nur zum Teil in der Absicht, die Expedition für die Spanier nicht zu einer Vergnügungsreise werden zu lassen, und in der Hoffnung, daß sie niemals von ihr zurückkehren würden. Ich tat das auch, weil es meine letzte große Reise sein sollte und ich fand, ich könne sie genausogut nutzen, auch noch einige neue Länder kennenzulernen. Daher brachte ich sie, nachdem ich sie durch die schroffsten Berge von Uaxyácac geführt hatte und hinterher durch die häßlichen Ödlande der Landenge zwischen dem Nord-Meer und dem Süd-Meer, nach Nordosten in das sumpfige Innere des Cupüco-Landes. Und dort, der Gesellschaft weißer Männer endgültig überdrüssig und überdrüssig der Tatsache, überhaupt etwas mit ihnen zu tun zu haben, machte ich mich selbständig und setzte mich von ihnen ab.
Ich sollte noch erwähnen, daß Cortés – zweifellos, um überprüfen zu können, daß ich unterwegs auch immer wahrheitsgemäß dolmetschte – noch einen zweiten Dolmetsch mitgenommen hatte. Zur Abwechslung diesmal nicht Malintzin, da diese damals noch ihren kleinen Sohn Martin Cortés nährte, und ich bedauerte geradezu ihr Fehlen, denn sie war immerhin angenehm anzusehen. Bei dem zweiten Dolmetsch handelte es sich gleichfalls um
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