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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Angelegenheit, haben wir zu dem Mittel gegriffen, welches wir für mehr als gerechtfertigt hielten. Wir haben eine förmliche Anklage wegen Ketzerei gegen den Azteken erhoben, und er wurde zur Verhandlung überstellt. Selbstverständlich, wäre Eurer Verzeihenden Majestät Brief früher eingetroffen, hätten wir stillschweigend eine königliche Begnadigung erwirkt, und damit wäre von der Anklageerhebung Abstand genommen worden. Gleichwohl möchten wir Euer Majestät zu bedenken geben – könnte es nicht ein Hinweis auf den Willen Gottes sein, daß die Winde auf dem Ozean die Ankunft des Kurierschiffes verzögerten?
    Auf jeden Fall erinnern wir uns sehr wohl unseres Souveräns eigenem Schwur, abgelegt vor unseren Ohren, daß Ihr »bereit wäret, Eure Herrschaft, Freunde, Blut Leben und Seele für die Ausrottung der Ketzerei herzugeben«. Infolgedessen nehmen wir zuversichtlich an, daß Eure Kreuzzugführende Majestät unseren Versuch billigen werden, dem Herrn zu helfen, die Welt von noch einem Diener des Widersachers zu befreien.
    Am Tag des Heiligen Martin wurde in unserer Kanzlei ein Inquisitionsgericht einberufen. Alle protokollarischen Vorschriften und Formalitäten wurden sorgfältig und peinlichst genau beachtet. Außer uns selbst als Eurer Majestät Apostolischem Inquisitor waren anwesend: Unser General-Vikar, welcher als Vorsitzender des Gerichts fungierte, unser Polizeihauptmann, unser Apostolischer Notarius und selbstverständlich der Angeklagte. Das Verfahren dauerte nur einen Vormittag lang, da wir in unserer Person den Anklagevertreter als auch den Richter vereinigten und der Angeklagte der einzige Zeuge war, welcher aussagte, und da das einzige Beweismaterial aus einer Auswahl von Zitaten bestand, exzerpiert aus der Chronik, wie sie von dem Angeklagten erzählt und von unseren Patres aufgeschrieben wurde.
    Laut eigener Aussage hatte der Angeklagte das Christentum nur angenommen, weil er zufällig bei einer Massentaufe zugegen war, welche vor vielen Jahren von Pater Bartolomé de Olmedo vorgenommen wurde; und er habe sie genauso beiläufig über sich ergehen lassen, wie er sein Leben lang jede Gelegenheit zur Sünde wahrgenommen hatte. Doch welches seine Einstellung damals auch gewesen sein mag – leichtfertig, neugierig, skeptisch –, sie konnte in keiner Weise das Heilige Sakrament der Taufe ungültig machen. Der (neben zahlreichen anderen Namen) Mixtli genannte Indianer starb in dem Augenblick, da Pater Bartolomé ihn besprengte, er von all seinen bis dato verübten Sünden samt Erbsünde freigesprochen und er makellos in dem character indelibilis des Juan Damasceno wiedergeboren wurde.
    Gleichwohl hat sich Juan Damasceno in den Jahren nach seiner Bekehrung und seiner bekannten Bestätigung im Glauben vieler und unterschiedlicher Vergehen schuldig gemacht, vornehmlich, indem er sich über die Heilige Kirche lustig machte oder sie verunglimpfte, was er entweder im Laufe seiner »Geschichte des Azteken«, versteckt oder auf höchst unverfroren offene Weise zum Ausdruck brachte. Infolgedessen wurde Juan Damasceno angeklagt und ihm als einem Ketzer der dritten Kategorie der Prozeß gemacht, i. e. als jemand, der, nachdem er den Glauben angenommen und allen früheren Sünden abgeschworen hatte, später wieder in verruchten Irrglauben zurückgefallen ist.
    Aus politischen Gründen unterließen wir es, einige der Sünden unter Anklage zu stellen, welche Juan Damasceno als nach seiner Bekehrung begangen ohne die mindeste Reue zugab. Zum Beispiel, wenn wir davon ausgehen, daß er (nach allhier herrschendem Gewohnheitsrecht) »verehelicht« war zu der Zeit seines zugegebenen Verkehrs mit der damals Malinche genannten Frau, so hatte er sich damit ganz offensichtlich der Sünde des Ehebruchs schuldig gemacht. Gleichwohl hielten wir es für unklug, die ehrenwerte und geschätzte Doña Sra. Marina Vda. de Jaramillo sub poena vorzuladen, um in dieser Sache auszusagen. Im übrigen ist der Zweck einer Inquisition nicht so sehr, die einzelnen Vergehen des Angeklagten zu untersuchen, als vielmehr seine unverbesserliche Neigung oder Empfänglichkeit für fomes peccati festzustellen, den anstoßgebenden »Zunder der Sünde«. Insofern gaben wir uns damit zufrieden, Juan Damasceno nicht wegen irgendwelcher seiner fleischlichen Sünden anzuklagen, sondern nur seiner lapsi fidei wegen, welche zahlreich genug waren.
    Das Beweismaterial wurde gleichsam in Form einer Litanei vorgelegt, wobei der Apostolische Notarius eine

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