Der Azteke
war Pactli. Meine Verachtung für ihn muß genauso offenkundig gewesen sein wie seine Abneigung gegen mich, denn eines Tages kam er zu mir und sagte drohend:
»Dem Maulwurf ist seine Gesundheit also zu kostbar, als daß er sich mit einer Maátitl besudeln möchte? Ich weiß, das ist nur eine Ausrede, um deine bedauernswerte Zeugungsunfähigkeit zu verbergen; es liegt aber auch Kritik an meinem Verhalten darin, und ich warne dich: du solltest deinen künftigen Schwager nicht verleumden.« Fassungslos starrte ich ihn an. »Ja, ehe ich, wie du vorhersagst, verfaule, will ich deine Schwester heiraten. Und selbst wenn ich ein verseuchter und stolpernder Schwachsinniger werde, einen Edelmann kann sie nicht zurückweisen. Laß dir das gesagt sein, künftiger Schwager: Ein einziges Wort zu Tzitzitlíni, daß ich mich mit Götterauswurf vergnüge, und ich bringe dich um.«
Ohne eine Erwiderung von mir abzuwarten, zu der ich im Augenblick aber ohnehin nicht fähig gewesen wäre, stolzierte er davon. Ich war vor Angst wie benommen. Nicht, daß ich persönlich vor Pactli Angst gehabt hätte, denn ich war um ein weniges größer und vermutlich auch stärker als er. Doch selbst wenn er ein schwächlicher Zwerg gewesen wäre – er war immer noch der Sohn unseres Tecútli, und jetzt war er böse auf mich. Seit die Jungen mit ihren einsamen Sexspielen angefangen hatten, und vor allem, seit sie mit Götterauswurf rammelten, war ich von bänglicher Erwartung erfüllt gewesen. Meine jämmerliche Leistung und das Gelächter, das sie mir eingetragen und das ich ertragen hatte, all diese Peinlichkeiten hatten weniger meine Eitelkeit verletzt als vielmehr dafür gesorgt, daß mir die Furcht in mein Glied gefahren war. Ich mußte in den Augen der anderen ja wirklich und wahrhaftig als impotent und unmännlich gelten. Mochte Pactli auch ebenso beschränkt wie hochmütig sein – sollte er jemals hinter den wahren Grund meiner vorgeblich schwach ausgebildeten Geschlechtlichkeit kommen, und daß ich sie in vollen Zügen anderswo verausgabte – so dumm, um sich nicht zu fragen, wo, war er nicht. Auf unserer kleinen Insel würde er nicht lange brauchen, um festzustellen, daß ich mit keinem anderen weiblichen Wesen zusammenkam außer mit …
Zuerst hatte Tzitzitlíni Pactlis Wohlgefallen erregt, als sie noch ein knospendes Mädchen gewesen war, damals, als sie den Palast aufgesucht hatte, um der Hinrichtung seiner ehebrecherischen Schwester, der Prinzessin, beizuwohnen. Vor noch nicht so langer Zeit hatte Tzitzi beim Frühlingsfest des Großen Erwachens die Tänzerinnen auf dem großen Pyramidenplatz angeführt – wobei Pactli sie gesehen hatte und von ihr völlig hingerissen gewesen war. Seither hatte er es wiederholt so eingerichtet, ihr in der Öffentlichkeit zu begegnen, ja, er hatte sie sogar angesprochen, ein unerhörter Verstoß gegen die guten Manieren für jeden Mann, selbst einen Pili. Außerdem hatte er vor kurzem angefangen, Vorwände zu finden, in unser Haus zu kommen und mit Tepetzálan »über Angelegenheiten des Steinbruchs zu sprechen«, wo man ihm unmöglich die Tür hatte weisen können. Die Kühle, mit der Tzitzi ihm begegnet war und ihre unverhohlene Abneigung gegen ihn hätten jeden anderen jungen Mann entmutigt davonschleichen lassen.
Und jetzt besaß dieser widerwärtige Pactli die Stirn, mir zu sagen, er werde Tzitzi heiraten. Nachdem ich an diesem Abend heimgegangen war, wir um das Abendbrottuch herumsaßen und nachdem unser Vater den Göttern für das gute Essen gedankt hatte, das vor uns stand, konnte ich nicht mehr an mich halten, und es brach aus mir heraus:
»Pactli hat mir heute erklärt, er habe vor, Tzitzitlíni zur Frau zu nehmen. Nicht vielleicht, oder falls sie seinen Antrag annimmt oder die Familie einverstanden ist. Sondern daß er das vorhat und es tun wird.«
Meine Schwester wurde stocksteif und starrte mich an. Flüchtig fuhr sie sich mit der Hand übers Gesicht wie unsere Frauen es immer zu tun pflegen, wenn etwas sie überrascht. Unser Vater machte ein unbehagliches Gesicht. Nur meine Mutter aß seelenruhig weiter und sagte dann genauso seelenruhig: »Er hat davon gesprochen, Mixtli, gewiß. Pactzin wird die Niedere Schule bald hinter sich haben, muß dann aber noch etliche Jahre die Calmécac-Schule besuchen, ehe er heiraten kann.«
»Er kann Tzitzi nicht zur Frau nehmen«, sagte ich. »Pactli ist ein beschränkter, habgieriger, verdorbener Mensch …«
Meine Mutter lehnte sich über das
Weitere Kostenlose Bücher