Der Azteke
durch Unseren Heiland hierzulande befolgt worden seien. Sein frevelhaftestes Sakrileg besteht aber vielleicht, wie Euer Majestät bald lesen werden, in seiner Behauptung, einer der früheren heidnischen Herrscher dieses Volkes sei von einer Jungfrau geboren worden.
Euer Majestät stellen beiläufig eine Nachfrage in Eurem letzten Schreiben. Wiewohl wir selbst von Zeit zu Zeit der Berichterstattung des Indianers persönlich beigewohnt haben – und selbiges, sofern unsere Zeit es uns erlaubt, auch weiterhin zu tun gedenken, um ihm besondere Fragen zu stellen oder um ihn um eingehendere Erläuterungen einiger seiner Kommentare zu bitten, die wir gelesen haben –, müssen wir Euer Majestät ergebenst darauf hinweisen, daß der Bischof von Mexíco auch andere dringende Aufgaben zu erledigen hat, welche es ihm unmöglich machen, irgendwelche Aufschneidereien oder Beteuerungen dieses Schwätzers nachzuprüfen oder nachzuweisen, daß sie nicht stimmen. Nun erbitten Euer Majestät eingehendere Informationen bezüglich einer der haarsträubenderen Behauptungen des Indianers, und wir hoffen aufrichtig, daß selbige Nachfrage nichts weiter sein möge als wieder einer von Euer Majestät gutmütigen Spaßen. In jedem Fall müssen wir antworten: Nein, Sire, wir besitzen keinerlei Kenntnis von den Eigenschaften, welche der Azteke der Knolle der Jalapa-Wunderblume zuschreibt. Wir können nicht bestätigen, daß selbige Knolle, sofern in Spanien auf den Markt gebracht, »in Gold aufgewogen werden würde«. Wir wissen nichts, was angetan sein könnte, dem »Getuschel der Damen Eures Hofstaates« ein Ende zu bereiten. Allein die Vorstellung, Unser Herrgott habe eine Pflanze geschaffen, welche die Kraft besäße, die Empfängnis christlichen Lebens zu verhüten, empfinden wir als abstoßend und als eine Beleidigung der Gefühle.
Verzeiht den Tintenklecks, Sire. Unsere Erregung läßt unsere federführende Hand zittern. Doch satis superque … Wie Euer Majestät befehlen, werden die Patres und der junge Laienbruder fortfahren, diese Seiten zu füllen bis – umgehend, wie wir bitten – Euer Majestät befehlen, daß sie von ihrer bedauernswerten Pflicht entbunden werden. Oder bis sie selber sich außerstande sehen, dieser Aufgabe weiter nachzukommen. Wir glauben, uns keiner Verletzung des Beichtgeheimnisses schuldig zu machen, wenn wir allgemein bemerken, daß die eigenen Beichten besagter Patres in den letzten Monaten phantasmagorisch bis zum Äußersten und grauenhaft anzuhören waren und uns nötigten, ihnen um der Absolution willen die allerhärtesten Bußen aufzuerlegen.
Möge Unser Erlöser und Herr, Jesus Christus, stets Euer Majestät zum Trost gereichen und Euch wappnen gegen die Listen unseres Widersachers – selbiges ist ständiges und inständiges Gebet Euer S.C.C.Ms.s Kaplan,
( ECCE SIGNUM ) ZUMÀRRAGA , Erdapfel
Quarta Pars
Die andere Seite des Hügels war womöglich noch schöner als die dem Texcóco-See zugewandte. Der Hang fiel leicht ab, die Gärten zogen sich sanft gewellt unter mir talabwärts, manche streng formal angelegt, andere ganz und gar natürlich, und überall schimmerten Teiche, Brunnen und Badebecken. Es gab ausgedehnte grüne Rasenflächen, auf denen eine Reihe zahmer Hirsche äste. Es gab ebenso schattige Haine wie gelegentlich einzeln stehende Bäume, welche man in der Gestalt von Tieren oder Vögeln gestutzt und zurechtgeschnitten hatte. Weiter unten, am Fuße des Hügels, erstreckten sich viele Gebäude, kleine und große, alle jedoch in ihren Ausmaßen dem Auge angenehm und weder zu dicht noch zu weit voneinander entfernt errichtet. Ich glaubte sogar, reich gekleidete Menschen auf den Wegen zwischen den einzelnen Häusern ausmachen zu können – jedenfalls bewegten sich dort leuchtende Farbkleckse. War der Palast des Herrn Rot Reiher auf Xaltocan schon ein geräumiges und durchaus eindrucksvolles Gebäude gewesen, stellte der Texcotzincoer Palast des Uey-Tlatoáni Nezahualpíli eine ganze unabhängige ländliche Gemeinde dar.
Die Kuppe des Hügels, auf der ich stand, war mit den »ältesten der alten« Zypressen bestanden, manche davon so dick, daß wohl zwölf Männer mit ausgestreckten Armen sie kaum hätten umspannen können, und so hoch, daß das graugrün gefiederte Laub in das Azurblau des Himmels überzugehen schien. Ich blickte mich um, und wiewohl sie geschickt verborgen waren, entdeckte ich die großen Tonrohre, welche die Gärten und die Häuser unten mit Wasser versorgten. Wenn
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