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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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sagte der Prinz, um mir dann verschwörerisch grinsend anzuvertrauen: »Und alle möglichen Geheimgänge und -treppen, damit mein Vater diese oder jene seiner Frauen aufsuchen kann, ohne daß die anderen eifersüchtig werden.«
    Wir ließen den Hirsch stehen und betraten den Palast durch das große Mittelportal, wobei Wache stehende Ritter zu beiden Seiten Hab-acht-Stellung einnahmen und den Speer kerzengerade vor sich in die Höhe hielten. Weide führte mich durch eine weiträumige Halle mit federgewirkten Wandbehängen, dann eine ausladende steinerne Treppe hinauf und eine mit Schilfmatten ausgelegte Galerie entlang bis zu den elegant ausgestatteten Wohngemächern seiner Stiefmutter. Also war gleich der zweite Mensch, den ich hier kennenlernte, eben jene Toläna-Teciuapil, welche der alte Mann oben auf dem Hügel erwähnt hatte, die Erste Dame und die vornehmste aller Edelfrauen. Sie war gerade in einer Unterhaltung mit einem finster blickenden jungen Mann mit buschig vorstehenden Brauen begriffen, wandte sich jedoch lächelnd uns zu und forderte uns durch eine Geste auf, einzutreten.
    Prinz Weide erklärte ihr, wer ich sei, und ich beugte den Rücken, und schickte mich an, die Geste des Erdeküssens zu vollführen. Die Dame von Tolan hob mich mit eigener Hand sanft aus meiner knienden Stellung empor und stellte mich wiederum dem jungen Mann vor: »Mein ältester Sohn, Ixtlil-Xochitl.« Augenblicklich fiel ich wieder aufs Knie, um die Erde zu küssen, denn dieser dritte Mensch, den ich jetzt kennenlernte, war Kronprinz Schwarze Blume, bestimmt, dermaleinst Nezahualpílis Thronerbe zu werden. Mir wurde nachgerade ein wenig schwindlig, und nicht nur vom ständigen Niederknien und Aufstehen. Da war ich, Sohn eines einfachen Steinhauers, und machte die Bekanntschaft von drei der bedeutendsten Persönlichkeiten in Der Einen Welt, und zwar Schlag auf Schlag. Schwarze Blume mit seinen dunklen Augenbrauen nickte mir zu, dann verließ er zusammen mit seinem Halbbruder den Raum.
    Die Erste Dame betrachtete mich von oben bis unten, während ich insgeheim sie musterte. Ihr Alter vermochte ich nicht zu erraten, wiewohl sie schon weit in den mittleren Jahren stehen, also mindestens vierzig sein mußte und bereits einen Sohn im Alter des Kronprinzen Schwarze Blume hatte, doch ihr Gesicht wies keinerlei Runzeln auf, war wunderschön anzusehen und sehr freundlich.
    »Mixtli also?« sagte sie. »Aber wir haben schon so viele Mixtlis unter den jungen Leuten, und – ach! – es fällt mir so schwer, Namen zu behalten.«
    »Manche nennen mich Tozáni, meine Dame.«
    »Nein, du bist viel größer als ein Maulwurf. Du bist ein großer Mann und wirst noch größer werden. Ich werde dich Kopf Neiger nennen.«
    »Wie es Euch beliebt meine Dame«, sagte ich und seufzte schicksalsergeben auf. »Das ist der Spitzname meines Vaters.«
    »Aber dann werden wir beide ihn gut behalten können, oder? Doch jetzt komm, ich will dir deine Wohnung zeigen.«
    Sie muß an einem Klingelzug gezogen haben, denn als ich auf den Gang hinaustrat, wartete dort ein von zwei stämmigen Sklaven getragener Tragstuhl. Sie ließen ihn für sie hernieder, damit sie einsteigen und Platz nehmen konnte, und trugen sie dann die Galerie entlang, die Treppe hinunter (wobei sie achtgaben, den Tragstuhl sorgsam in der Waagerechten zu halten), zum Palast hinaus und hinein in die zunehmende Dämmerung. Ein weiterer Sklave lief mit einer Kienholzfackel voraus, ein vierter hinterher, das Banner, das den Rang der Dame anzeigte, in der Hand. Ich selbst lief neben dem Tragstuhl her. In dem großen Gebäude mit den beiden Seitenflügeln, das Weide mir bereits gezeigt hatte, führte die Dame von Tolan mich die Treppe hinauf, um ein paar Ecken herum und weit in den linken Flügel hinüber.
    »Da wären wir«, sagte sie und ließ eine Tür aufschwenken, die aus Tierhaut bestand, welche man über einen Holzrahmen gespannt hatte und die dann mit Lack steif gemacht worden war. Die Tür lehnte nicht etwa einfach vor der Öffnung, sondern drehte sich oben und unten in Zapfen. Der Sklave trug die Fackel hinein, um mir den Weg zu erleuchten, doch ich steckte nur den Kopf hinein und sagte dann unsicher: »Es scheint aber ganz leer zu sein, meine Dame.«
    »Aber selbstverständlich. Es ist schließlich deins.«
    »Ich dachte, in einer Calmécac schliefen alle Studenten gemeinsam in einem großen Schlafsaal.«
    »Richtig, aber dies hier gehört zum Palast, und hier wirst du wohnen. Mein Gatte hat

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