Der Azteken-Götze
Schmerz zu unterdrücken, nachdenken und Kräfte sammeln.
So etwas war ihm in Fleisch und Blut übergegangen, und er tat es, ohne darüber nachzudenken.
Daß er auf dem Rücken lag, hatte er sehr schnell festgestellt. Daß er nicht gefesselt war, ebenfalls. Daß er gegen die Dunkelkeit starrte, die sich über ihm zusammenballte, hatte er auch sofort gesehen, aber wo er sich befand, wußte er nicht.
An einem fremden Ort, eingepackt und eng umhüllt von der tiefen Finsternis eines Gefängnisses, eines Schachts, aus dem es so leicht kein Entrinnen gab.
Er durfte nur nicht in den Fehler verfallen und sich zu hastig bewegen. Zunächst liegenbleiben, durchatmen, abwarten, sich noch einmal alles durch den Kopf gehen lassen und auch versuchen, darüber nachzudenken, wie er Gegenmaßnahmen in die Wege leiten konnte. Douglas gehörte zu den Optimisten. Denn Optimismus brauchte er in seinem Beruf. Alles andere war schlecht, da konnte er gleich einpacken. Er glaubte immer daran, daß der Mensch einen Ausweg fand, solange er noch am Leben war.
Daß dies auch noch einige Zeit so blieb, dafür wollte Abe Douglas schon sorgen.
Er lag da, er hob seine Arme an und freute sich darüber, daß er nicht gefesselt war, obwohl ihm die Glieder doppelt so schwer vorkamen, als er sie bewegte.
Alles fiel ihm schwer. Der Treffer hatte ihn fertiggemacht, er war träge geworden, hinzu kamen die dumpfen Schmerzen in seinem Kopf, die eigentlich überall waren.
Am Kinn, dicht unter dem Haaransatz, wo sie die gesamte Stirnbreite einnahmen.
Selbst an den Augäpfeln spürte er sie, und es fiel ihm schwer, die Lider zu bewegen.
Er blieb liegen.
Warten, nichts als warten…
Aber er wollte nicht warten.
Er wußte auch nicht, wieviel Zeit vergangen war. Seine Uhr besaß keine Leuchtziffern, und man hatte ihm alles abgenommen, sogar die kleine Taschenlampe. Nur die Papiere, die hatte man ihm gelassen, fast wie ein Hohn.
Noch lag er auf dem Rücken, atmete tief durch und drängte das Denken von seinem eigenen Schicksal weg, denn er gehörte zu den Menschen, die vorausschauten, und er wußte mit fast tödlicher Sicherheit, daß dieses Liegen hier nicht die letzte Stufe im Plan seiner Feinde war. Die hatten einiges mit ihm vor, wobei er ahnte, was sie von ihm wollten. Diese schrecklichen Gedanken drängte er zurück.
Abe Douglas hatte die Angst in seinem Leben schon kennengelernt. Er wußte sehr gut, was es bedeutete, Angst zu haben, aber er hütete sich davor, sie zu hoch steigen zu lassen. Sie hätte sein klares Denken sonst überschwemmt. Auch wenn er nicht gefesselt war, machte er sich keine Illusionen. Er war ein Gefangener, und aus eigener Kraft würde er an diesem Schicksal wohl nicht viel ändern können.
Noch lag er auf dem Rücken und bewegte dabei nur seine Arme zum Zweck gymnastischer Übungen. Er drückte sie hoch, streckte sie aus, winkelte sie an, fluchte leise darüber, daß er dabei die Schmerzen in seinem Kopf wieder stärker spürte, aber er gab einfach nicht auf. Er mußte in Bewegung bleiben, er gab sich nicht auf, und er setzte sich dann hin. Zu heftig, zu ruckartig. Durch seinen Kopf zuckten die Schmerzwellen. Er biß die Zähne zusammen. Aus seiner Kehle drang ein tiefes Knurren, und er verfluchte seinen eigenen Zustand. Aber er blieb sitzen, auch wenn in seinem Kopf an manchen Stellen kleine Explosionen stattfanden, deren Ausläufer hart gegen seine Schädeldecke stießen.
Auch das ging vorbei.
Die Schmerzen ebbten ab, er gewann wieder die Kontrolle übersieh selbst, sogar ein Lächeln umhuschte seine trockenen, spröde gewordenen Lippen, denn als er nach vorn schaute, da stellte er fest, daß es doch nicht so stockdunkel in seinem Gefängnis war. Der Lichtstreifen befand sich in Bodenhöhe. Er war sehr schmal. Für Abe ein Beweis, daß er nur aus einer Lücke zwischen Türende und Untergrund hervordringen konnte.
Und er bewegte sich.
Es war also kein normales Licht, das sich in dem anderen Raum befand, sondern das von Kerzen oder Fackeln.
Abe Douglas quälte sich mit der Erinnerung, aber sie kam zurück, er konnte endlich klar überlegen.
Der Begriff Tal der Götter fiel ihm ein. Davon war gesprochen worden. Im Tal der Götter mußte das Ziel liegen, eben der Götze. Natürlich. Alles paßte plötzlich zusammen. Sie hatten ihn als Bewußtlosen in das Tal der Götter geschafft, denn sie wollten etwas von ihm – sein Blut!
Wie auf einen Befehl hin hörte er plötzlich das Rauschen in seinem Kopf. Als würde das
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