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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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die Parole ausgegeben: »Irre ans Gewehr!«
     
    Eine, die ebenfalls aus dem SPK zur RAF stieß, war Margrit Schiller. Geboren 1948 , Tochter eines Majors beim Militärischen Abschirmdienst der Bundeswehr in Bonn.
    Mit achtzehn, unmittelbar nach dem Abitur, zog sie zu Hause aus, weil ihr Vater ihr »die Luft zum Atmen nahm«. Die Mutter war Volksschullehrerin und CDU -Abgeordnete in Bonn.
    Margrit Schiller begann zu studieren. In ihren Lebenserinnerungen setzte sie sich später mit ihrer Zeit bei der RAF auseinander: »Es war ein harter Kampf um meine Erinnerung«.
    Und tatsächlich gehörte sie zu den wenigen aus der »Rote Armee Fraktion«, die schonungslos, auch mit sich selbst, das Leben im Untergrund und im Gefängnis aufarbeiteten. Vielleicht war es gerade ihre Zeit beim »Sozialistischen Patientenkollektiv«, die es ihr ermöglichte, auch ihren eigenen Gefühlen auf dem Weg in und durch den Untergrund nachzuspüren.
    Als sie nicht mehr zu Hause wohnte und ihr Leben selbst in die Hand nehmen konnte, versuchte sie, »die Trauer abzuschütteln, die mich über Jahre begleitet hatte«.
    Sie fühlte sich sehr einsam: »Das war mein grundlegendes Lebensgefühl, seit ich denken konnte.« Sie machte einige Drogenerfahrungen mit Haschisch und Marihuana, hörte Deep Purple und Pink Floyd. »Es war schön und fürchterlich traurig.«
    Dann stieß Margrit Schiller zu einer selbstorganisierten Drogenhilfe-Gruppe, dem »Release«. »Ausbrechen, anders leben, nicht mehr vereinzelt, sondern kollektiv«, das wurde für sie wie für viele andere ihrer Generation zur Lebensmaxime. Sie brach von einem Tag auf den anderen ihre Liebesbeziehung zu ihrem Freund ab, hatte mehrere neue, kurze Beziehungen, »nacheinander und gleichzeitig, ging ins Bett, mit wem und wie es mir gefiel«.
    Mehrere ihrer Freunde aus dem »Release« waren auch Mitglied im SPK . Margrit Schiller schrieb sich dort in den Arbeitskreis »Einzelagitation« ein. »In den Sitzungen«, so schrieb sie später in ihren Erinnerungen, »hatte ich ein großes Bedürfnis, erst einmal über mich, meine Lebensgeschichte, meine Unsicherheiten, Ängste und meine Suche nach etwas anderem zu sprechen.« Dabei wurde ihr klar, daß »meine Einsamkeit und Traurigkeit, die vielen Probleme, die ich mit mir selbst hatte, nicht mein persönliches unentrinnbares Schicksal waren«.
    Anfang Februar 1971 fragte ein Bekannter Margrit, ob sie ihren Paß für ein paar Leute, die »Schwierigkeiten mit der Polizei« hätten, zur Verfügung stellen könnte. Ohne weiter nachzufragen, willigte sie ein. Kurz darauf wollte der Bekannte wissen, ob sie diesen Leuten auch ihre Wohnung für ein paar Tage überlassen könnte. Wieder stellte sie keine Fragen. »Aber es fiel mir nicht mehr so leicht. Das war ein Schritt weiter, und er konnte mich in Gefahr bringen.« Doch ihre Angst war kleiner als das »Interesse, Menschen, die ihre Leben anders bestimmten, als ich das bis dahin kannte, und ihren Kampf kennenzulernen«.
    In der ersten Nacht, in der sie sich ausquartiert hatte, mußte sie sich vor Anspannung übergeben.
    Nach ein paar Tagen des Vagabundierens wollte sie in ihre Wohnung zurück.
    Dort saßen Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe. Keiner von ihnen sah so aus, wie Margrit sie von Fahndungsplakaten kannte: »Gudrun hatte eine schöne Afro-Frisur, die gut zu ihrem schmalen Gesicht und den großen Augen paßte. Ulrike wirkte klein und zierlich, trug ein Kopftuch, rauchte eine Zigarette nach der anderen und fummelte ständig mit ihren Fingern herum.«
    Alle vier waren bleich, als würden sie nie die Sonne sehen. Einer aus der Runde fragte: »Na, was willste denn wissen?«
    Margrit fühlte sich unbehaglich: »Ja, was ihr so macht. Ich wollt euch halt kennenlernen.«
    »Weiß du denn, wer wir sind?«
    Margrit schüttelte den Kopf.
    »Können wir weiter deine Wohnung benutzen?«
    Sie nickte. Das waren also die Leute, nach denen überall gefahndet wurde. Sie fühlte sich einerseits eingeschüchtert, andererseits aber auch »wichtig durch sie«.
    Andreas, der bis dahin geschwiegen hatte, sagte: »Aus Sicherheitsgründen ist es sowieso besser, wenn du uns nicht näher kennenlernst. Und wenn die Bullen irgendwann einmal herauskriegen, daß wir hier waren, ist es besser, wenn du möglichst wenig weißt.«
    Baader wirkte für sie sehr bestimmend und voll Energie. Dann wurde sie gefragt, ob sie wisse, warum sie eine Stadtguerilla aufbauen wollten, und ob ihr klar sei, was ein

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