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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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oder den Gören zu Hause.«
    Sie fanden eine passende Wohnung am Mexikoring inmitten eines tristen Neubaugebiets im Norden Hamburgs, und Margrit Schiller ging, ihre Haare brav zu einem Zopf gebunden, im Rock und dezent geschminkt zur Hausverwaltung. »Du mußt unauffällig wirken, wie eine Sekretärin eben«, sagte Holger Meins.
    Sie mietete die Wohnung und kehrte zurück nach Heidelberg. Dort besuchte Holger Meins sie ein paarmal, blieb über Nacht, und sie begannen eine flüchtige Liebesbeziehung.
    »Was mich an den RAF -Genossen besonders anzog«, schrieb sie später in ihren Erinnerungen, »war ihre absolute Ernsthaftigkeit. Sie lebten, was sie sagten, sie spielten nicht. Die politische Dimension ihrer Überzeugung konnte ich noch nicht erfassen, aber mich faszinierte, wie sie sich für ihre Sache einsetzten. Gudrun nannte das später ›tief empfundene Freiwilligkeit‹. Mit großen Augen schaute ich zu, wie sie in einer mir bis dahin unbekannten Offenheit und Direktheit miteinander stritten oder um sich und um jeden von ihnen kämpften.«
    Eines Nachmittags kehrten Andreas, Gudrun und Jan von Schießübungen aus einem Wald zurück. Als sie ihre Taschen leerte, stellte Gudrun fest, daß sie vergessen hatte, Andreas’ Pistole einzupacken. Sofort wurde Baader wütend: »Du bist das letzte Arschloch, wozu hast du deinen Kopf? Wenn wir jetzt in eine Straßensperre kommen, kann ich mich ja nur noch abknallen lassen.« Gudrun blieb ganz ruhig. Margrit Schiller, von der Schimpfkanonade verstört, fuhr Andreas an: »Laß sie endlich in Ruhe.«
    Später nahm Gudrun sie beiseite: »Der Andreas hat natürlich auch Scheiße gebaut, klar, zuerst ist er natürlich selbst für seine Knarre verantwortlich. Und dann dieses Geschrei, na gut, wirklich überflüssig. Aber weißte, das Schlimmste find ich eigentlich, daß ich mir das alles hab gefallen lassen. Ich hätte zurückmotzen müssen, wenigstens das. Es war einfach nur beschissen von mir, so den Kopf einzuziehen und nicht zu reagieren. Verstehste?«
    Margrit Schiller verstand es nicht.
    Baaders scharfzüngigen Gemeinheiten und Wutanfällen hatte in der Gruppe niemand etwas entgegenzusetzen. Einmal, so erinnerte sich Margrit Schiller, kamen Andreas und ein anderes Gruppenmitglied von dem Versuch, ein Auto zu klauen, zurück in die Wohnung. Atemlos erzählten sie, daß Andreas zur Sicherung im Auto sitzengeblieben war, als sich ihnen ein Polizist mit gezogener Waffe genähert hatte. Andreas schlich aus dem Wagen und hielt dem Polizisten die Pistole in den Rücken. »Los, abhauen«, rief er dem anderen zu. Dann bewegte er sich rückwärts, den Polizisten mit der Pistole in Schach haltend, auf das Auto zu. Sie hatten sich in den Wagen geworfen und waren davongerast.
    Jetzt saßen sie keuchend in der Wohnung und gingen immer wieder nervös zum Fenster. Andreas war wütend: »Warum hast du nicht die Knarre gezogen? Oder dich hinters Auto geschmissen? Oder beides.« Er wandte sich zu Margrit um: »Ist da stehengeblieben wie ein Hornochse und hat gewartet, daß man ihn ankettet.« Dann drehte er sich zu dem anderen Gruppenmitglied um: »Was ist mit dir los? Willst du kämpfen, oder was willst du? Der Bulle hätte dich einfach einpacken können. Wie soll man sich auf so ’nen Typen verlassen können, der in der entscheidenden Minute den Schwanz einzieht? Das mußt du klarkriegen, was da mit dir los ist.« Wutschnaubend setzte sich Baader hin und sprang immer wieder auf. Der andere steckte sich schweigend eine Gauloise nach der anderen an.
     
    Eines Tages kam Ulrike allein in Margrit Schillers Wohnung in Heidelberg. Sie setzte sich an ihre Schreibmaschine, neben sich Papiere und Bücher, und schrieb Tag und Nacht, fast ohne zu schlafen. Dabei trank sie literweise Kaffee und rauchte pausenlos. Sie gab Margrit ein paar Seiten und sagte: »Ich will hören, was du darüber denkst.«
    Margrit Schiller quälte sich durch den Text »Das Konzept Stadtguerilla«. Obwohl sie Schwierigkeiten hatte zu verstehen, was gemeint war, gab sie die Blätter zurück und sagte: »Ich find das richtig gut.«
    Ärgerlich antwortete Ulrike: »Ich will keine Komplimente hören, Scheiße, ich will deine Meinung hören.«
    Margrit Schiller hörte zu, als Ulrike und Andreas stundenlang über den Text diskutierten. Sie hatte den Eindruck, es würde den beiden Spaß machen, ihre Kräfte zu messen. Einmal, als Baader sie zu harsch kritisierte, fauchte Ulrike: »Dann schreib du es doch.« Baader lachte: »Du

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