Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
nächsten Polizeiwache. Es waren verängstigte Touristen aus Holland. Die Männer in den Rollkragenpullovern waren Polizisten in Zivil, Terroristenjäger.
Einem 35 jährigen Verlagsvertreter des »Spiegel« geschah es zweimal, daß er für Andreas Baader gehalten wurde. Nach einem Verkehrsunfall in der Frankfurter Innenstadt sahen er und seine Sekretärin plötzlich in die Läufe von acht Polizeipistolen. Als sich der Irrtum aufgeklärt hatte, fragte der Baader-Doppelgänger: »Was wäre passiert, wenn einer von uns in die Tasche gegriffen hätte?«
»Dann hätten wir geschossen«, antwortete der Polizeibeamte. Zwei Wochen später wurde der Verlagsvertreter erneut von Polizisten gestoppt. Einer der Beamten richtete seine Pistole auf ihn und sagte: »Verkehrskontrolle«.
»Nein, nicht schon wieder«, sagte der Mann. »Ich bin nicht Baader. Ich bin vom ›Spiegel‹!«
Unter Bewachung wurde er diesmal zum Bundeskriminalamt nach Wiesbaden gefahren, wo seine Fingerabdrücke mit denen Baaders verglichen wurden. Dabei erklärte ein BKA -Beamter: »Die Baader-Meinhof-Bande – das sind ganz kluge Leute, die handeln immer anders, als man denkt. Aber nun denken wir auch schon so.«
Der Fahrer eines blauen Porsche aus Hannover wurde von einem Polizisten an der Straßenkreuzung als Baader identifiziert. Er bog mit seinem Wagen um die Ecke und verschwand in einer Tiefgarage. Erst am nächsten Tag erfuhr er aus der Zeitung, daß zwanzig bis dreißig Streifenwagen und mehrere Polizeihubschrauber unterwegs gewesen waren, um ihn zu fangen: »Jagd nach blauem Porsche in Niedersachsen«. Er meldete sich bei der Polizei, wurde eine Stunde lang überprüft und dann entlassen.
Eine Hamburger Journalistin, klein und blond, flog von Berlin nach Nürnberg. Schon auf der Gangway wurde sie von zwei kräftigen Herren erwartet und in das von Polizisten abgeriegelte Flughafengebäude geführt. In einem Büroraum wurde die Überraschte verhört. »Das muß eine Verwechslung sein«, beharrte sie. Aber die Beamten blieben fest: »Nun geben Sie es doch zu, Sie sind Ulrike Meinhof!«
Später erhielt die Journalistin auf ihren Wunsch hin eine amtliche Bescheinigung: »Ursula G. wurde vorübergehend festgenommen aufgrund einer Ähnlichkeit mit Ulrike Meinhof. Die Untersuchung verlief negativ.«
43. Die Sprengstoffküche
In Frankfurt wurde Anfang April der Metallbildner Dierk Hoff zunehmend unter Zeitdruck gesetzt. Seine Auftraggeber hatten ihm etwa achtzig Zentimeter lange Metallrohre von knapp zwanzig Zentimetern Durchmesser angeliefert, die er in jeweils vier Teile zerschneiden und an den Enden zuschweißen sollte. Gerhard Müller half ihm, die glühend heißen Bombenhüllen ins Badezimmer zu schleppen, wo sie in der Wanne abgekühlt werden mußten. Es erhob sich eine gewaltige Dampfwolke.
In den Tagen und Wochen zuvor hatte Müller in verschiedenen Städten mehrere hundert Kilogramm Chemikalien für die Füllung der Bomben eingekauft: Bleimennige, Aluminiumpulver, Ammoniumnitrat, Kaliumnitrat, Kaliumchlorat, Schwefel, Holzkohle, Holzmehl, Glyzerin, Eisenoxid und verschiedene Säuren. Dazu besorgte Müller Batterien, Drähte, Litzen, Stecker, Klemmen, Drahtwiderstände und Kurzzeitwecker.
Die Gruppe wollte Sprengkörper unterschiedlicher Bauart herstellen, um die Ermittlungsbehörden mit immer neuen Bombentypen zu verwirren. Zur Verstärkung der Splitterwirkung besorgte Müller vier bis neun Millimeter dicke Stahlkugeln, die mit dem Sprengstoff vermischt werden sollten.
Die für die Bombenherstellung nötigen Grundstoffe wurden in die Wohnung Inheidener Straße gebracht. Einige der Chemikalien mußten zerkleinert werden. Baader hatte die Idee, dafür Kaffeemühlen zu verwenden. Er schickte Müller, um die elektrischen Mühlen einzukaufen. Da die Kaffeemühlen nur eine geringe Kapazität hatten und bei der Massenproduktion schnell verschlissen, wurde eine größere Kaffeemühle beschafft, die dann aber noch schneller kaputtging. So blieb es bei der Zerkleinerung von Ammoniumnitrat und Holzkohle in kleinen Portionen. Um die Staubbelästigung möglichst gering zu halten, steckte Baader die Mühlen in Eimer. Die Polizei entdeckte später in der Wohnung Inheidener Straße eine ganze Batterie sorgsam eingepackter Kaffeemühlen, insgesamt zehn Stück. Zum Mischen der Sprengstoffe wurden ebenfalls Küchengeräte verwendet, Handmixer. Aber auch diese Geräte vertrugen die Zweckentfremdung auf die Dauer schlecht. Baader schraubte
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