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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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aus und hatte keine Ähnlichkeit mit ihren Fahndungsfotos. Ulrike Meinhof weinte jämmerlich.
    Die Polizisten durchsuchten die Wohnung und fanden in einer Tasche ein aufgeschlagenes Exemplar der Illustrierten »stern« mit Röntgenaufnahmen von Ulrike Meinhofs Schädel. Da erst begriffen sie, daß sie die meistgesuchte Frau der Bundesrepublik festgenommen hatten.
    Die Beamten hielten ihr das Foto aus dem »stern« vor: »Sind Sie das?«
    Ulrike Meinhof schwieg.
    Severin durchsuchte eine schwarze Samtjacke, die in der Wohnung lag, und fischte einen Zettel aus der Jackentasche.
    Es war der Kassiber von Gudrun Ensslin.
     
    Ulrike Meinhof wurde direkt in die Haftanstalt gebracht. Severin fuhr ins Polizeipräsidium und besprach mit seinen Kollegen, wie man die Festgenommene identifizieren könne. Fingerabdrücke lagen von Ulrike Meinhof nicht vor. Severin dachte an die Röntgenfotos aus der Illustrierten und machte den Vorschlag, den Kopf der Verhafteten röntgen zu lassen. Die Silberklammer, mit der vor zehn Jahren der Blutschwamm in ihrem Gehirn am weiteren Wachstum gehindert worden war, mußte auf dem Röntgenbild zu erkennen sein.
    Die Polizeibeamten hielten Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft und mit einem Richter. Sie erhoben keine Einwände, Ulrike Meinhof in eine Klinik zu transportieren und dort zur polizeilichen Identifikation medizinisch untersuchen zu lassen. Spät am Abend fuhr Severin in die Klinik. Ulrike Meinhof war bereits dorthin gebracht worden. Der diensttuende Arzt ließ sich von Severin den »stern« mit der Geschichte über Ulrike Meinhofs Tumoroperation geben. »Also, wenn die Festgenommene diese Person sein soll, dann müßte sie irgendwie eine Narbe auf dem Kopf haben«, sagte der Arzt. Zusammen mit den Krankenschwestern versuchten Polizist und Arzt, die Frau zu überreden, sich den Kopf freiwillig abtasten zu lassen. Nach langem Hin und Her willigte sie ein, aber der Arzt konnte keine Narbe entdecken. Schließlich wurde Ulrike Meinhof gegen ihren Willen geröntgt. Man hatte sie dazu zwangsweise narkotisiert.
    Rodewald später: »Die Polizeibeamten, die zu dieser Röntgenaufnahme gefahren sind, erzählten wie Großwildjäger, wie sie die Frau behandelt haben, damit die ruhig auf diesem Röntgentisch liegt: ›Drei von uns haben sich über sie geworfen, und zwei haben ihren Kopf gehalten.‹ Also, die Frau hat sich schrecklich gewehrt dagegen, aber die Aufnahmen wurden gemacht, und dann hat man gewußt: Es ist Ulrike Meinhof.«

50. Eine Falle am Kiosk
    Klaus Jünschke verließ Hamburg und traf sich mit Irmgard Möller, die ihn nach Offenbach zu einem Treffen mit zu Hans-Peter Konieczny nahm. In einem Park gingen sie spazieren und besprachen ihre Situation. Die noch nicht festgenommenen Randfiguren der RAF saßen versprengt irgendwo herum. »Die haben sich alle in ihren Löchern verkrochen, und keiner meldet sich«, sagte Jünschke. Geld hatten sie auch nicht mehr, und so schmiedeten die drei Pläne für einen neuen Banküberfall.
     
    Am 7 . Juli 1972 stand plötzlich die Polizei in der Tübinger Druckerei, in der Konieczny arbeitete. Einer der Beamten schlug demonstrativ seine Jacke zur Seite, unter der er eine Pistole trug. »Conny« ließ sich widerstandslos festnehmen. Die Ermittlungsbeamten stellten ihm einiges in Aussicht, wenn er helfe, auch den Rest der Gruppe ins Gefängnis zu bringen. Conny war einverstanden. Er könne noch am selben Tag in Offenbach ein Treffen vereinbaren.
    In einer Kneipe besprachen sie die Einzelheiten. Günter Textor, der Leiter der Stuttgarter Sonderkommission, wollte ihm eine kugelsichere Weste geben. Conny verzichtete.
    Gegen halb zwei verließ er die Kneipe und ging die letzten 300  Meter zum Treffpunkt zu Fuß. Etwa dreißig Polizeibeamte sicherten die Umgebung ab. Sie saßen auf Parkbänken, an einer Bushaltestelle, spielten mit Kindern oder mimten an einem Kiosk Betrunkene.
    Dann stieg Klaus Jünschke aus einem Bus. Er trug eine schwarze Kollegmappe unter dem Arm, sah sich mißtrauisch um und merkte sofort, daß irgend etwas nicht stimmte. »Was ist denn hier los?« fragte er. »Da drüben hocken zwei im Auto«, erwiderte Conny.
    Er hatte Angst. Die Polizisten schienen nicht sehr aufmerksam zu sein. »Du, wir latschen mal hin und gucken uns die Typen an«, schlug er vor. Nach knapp einer Minute sprangen plötzlich aus allen Richtungen Beamte auf sie zu. Sie packten Jünschke von hinten, rissen ihm die Beine weg, zwei schlugen ihm die Tasche aus der

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