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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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entwickelte sich das Drama. Am Abend wurden Geiseln und Geiselnehmer zum Flughafen Fürstenfeldbruck gebracht, angeblich, um sie nach Kairo auszufliegen. Als die ersten beiden Palästinenser das Flugzeug besteigen wollten, eröffneten deutsche Scharfschützen das Feuer. Die Geiselnehmer streckten die Israelis mit Salven aus ihren Kalaschnikow-Maschinenpistolen nieder. Dann feuerten sie auf die Polizisten.
    Am Ende waren elf israelische Sportler, ein deutscher Polizist und fünf Terroristen tot. Drei Palästinenser wurden festgenommen.
    Organisator des Anschlags war – Erkenntnissen des israelischen Geheimdienstes zufolge – Hassan Salameh, jener Abu Hassan, der zwei Jahre zuvor die Baader-Meinhof-Gruppe im jordanischen Palästinenserlager hatte ausbilden lassen.
     
    In ihrer Zelle in Köln-Ossendorf schrieb Ulrike Meinhof nach dem Olympia-Massaker ein Papier: »Die Aktion des Schwarzen September in München – Zur Strategie des antiimperialistischen Kampfes«.
    Obwohl auf der Titelseite das RAF -Emblem mit der gezeichneten Maschinenpistole abgebildet war, hatten es die übrigen »Führungskader« der RAF vor der Veröffentlichung nicht zu sehen bekommen. Die Druckschrift wurde in hoher Auflage an Universitäten ausgelegt.
    In dem Papier wurde die Aktion des »Schwarzen September« als beispielhaft für die revolutionäre Strategie des antiimperialistischen Kampfes gewürdigt, »an der die westdeutsche Linke ihre Identität wiederfinden könnte«.
    »Die Genossen vom Schwarzen September«, schrieb Ulrike Meinhof, »haben ihren eigenen Schwarzen September 1970  – als die jordanische Armee über 20   000  Palästinenser hingemetzelt hat, dahin zurückgetragen, wo dieses Massaker ursprünglich ausgeheckt worden ist: Westdeutschland – früher Nazideutschland – jetzt imperialistisches Zentrum. Dahin, von wo aus die Juden aus West- und Osteuropa nach Israel auszuwandern gezwungen worden sind – dahin, von wo Israel sein Wiedergutmachungskapital bezog und bis 1965 offiziell Waffen. Dahin, wo der Springerkonzern Israels Blitzkrieg im Juni 67 als antikommunistische Orgie gefeiert hat …«
     
    Gudrun Ensslin nahm an, Horst Mahler habe diese dritte RAF -Schrift verfaßt. Sie schrieb an ihn: »Einfach Scheiße … Es wäre besser gewesen, wenn es vorher andere gelesen hätten … Haben uns mal kurz gefragt, warum Du’s nicht vorher mal rüberreichtest, aber jetzt ist es natürlich wichtig, weil Du irre bist, wenn Du ausläßt, was uns die zwei Jahre Praxis gebracht haben …«
    Ulrike Meinhof erhielt eine Kopie des Briefes und reagierte mit einer Verteidigung ihrer Schrift, die fälschlicherweise Horst Mahler zugeordnet worden war. In dem Papier, so schrieb sie, seien die gemeinsamen Ziele der RAF und des »Schwarzen September« zum Ausdruck gebracht worden: »Materielle Vernichtung von imperialistischer Herrschaft. Zerstörung des Mythos von der Allmacht des Systems. Im materiellen Angriff die propagandistische Aktion: der Akt der Befreiung im Akt der Vernichtung.«
    Sie fügte hinzu: »Klar – ein ekelhafter Gedanke – aber ›welche Niedrigkeit begingest Du nicht, um die Niedrigkeit abzuschaffen …‹«
    Erst als sie Ulrike Meinhofs Verteidigungsschrift in Händen hielt, erkannte Gudrun Ensslin, von wem das Papier wirklich stammte – und schwenkte um: »Für den Wortlaut meiner ›Kritik‹ könnte ich doch nur noch rot werden … Irgendwie bist Du so was wie verbittert, versteh’ ich überhaupt nicht, oder wie oft soll ich noch sagen, daß wenn, nur ich Grund hätte (aber doch nicht habe), betrübt zu sein, Deinen Kopf und Deine Hand in dem Schwarzen September nicht sofort gesehen zu haben … Und trotz aller Erfahrungen mit dem Schrotthaufen immer noch doof genug war zu glauben, das alles könnte von ihm [Horst Mahler] sein – aber auch das bedeutet doch nur, daß ich verrückt war, bin oder sein kann …«
    Handschriftlich erwiderte Ulrike Meinhof darauf: »Also wirklich – ich finde mein Zeug trostlos – aber man fängt an, drauf zu sitzen, was noch trostloser ist.«
     
    Horst Mahler hatte inzwischen auch ein neues Strategiepapier verfaßt. Es fand nicht Gudrun Ensslins Zustimmung. Sie schrieb an ihn: »Und – halt Dich fest – daß ich tatsächlich denke, daß es jemand gibt, der Dich für einen ›Rädelsführer‹ hält: Du selbst.«
    Streit bahnte sich an.
     
    In ihrem Brief an Gudrun Ensslin hatte Ulrike Meinhof geschrieben: »Welche Niedrigkeit begingest Du nicht, um

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