Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Besuchern sind die Angestellten vom Gefängnis auch freundlich – da kann man nichts sagen. Zu den Gefangenen sind sie manchmal pampig – wie der Lehrer in Berlin, der auf dem Flur so viel rumgeschimpft hat. Entweder man schimpft zurück oder hört gar nicht hin …«
Am 22 . September 1972 : »… und dann wurde ich Knall und Fall woanders hingeschafft, im Hubschrauber, was natürlich Spaß macht – sonst war es nicht so lustig«.
4. »Ich bin die Meinhof – mich sollt ihr identifizieren!«
Im September 1972 war Ulrike Meinhof im Hubschrauber nach Zweibrücken geflogen worden. Dort, in der Justizvollzugsanstalt, sollte sie drei Zeugen gegenübergestellt werden. Am Nachmittag des 20 . September erschien der Kriminalhauptkommissar Ruckmich in ihrer Zelle und überreichte ihr den Gegenüberstellungsbeschluß. »Ich nehme an der Gegenüberstellung nicht teil«, erklärte Ulrike Meinhof.
Ruckmich wies sie darauf hin, daß die Gegenüberstellung auf jeden Fall stattfinden würde, egal ob sie zustimme oder sich weigere.
Ein Schulungssaal der Haftanstalt war ausgewählt worden. Ulrike Meinhof und fünf andere Personen sollten jeweils einzeln durch den Saal geführt und den Zeugen präsentiert werden.
Die »Wahlpersonen« waren weibliche Kriminalbeamte und Sekretärinnen aus dem Polizeipräsidium, die in Häftlingskleidung gesteckt wurden. Ein Maskenbildner schminkte sie. Dann wurden Regieanweisungen erteilt: »Die zu identifizierende Person wird sich vermutlich wehren. Aus diesem Grunde verhalten Sie sich bitte ähnlich. Widersetzen Sie sich der Vorführung, bieten Sie unterschiedliche Verhaltensweisen, damit die Zeugen eine möglichst breite Auswahlskala haben.«
Anschließend gab es eine Runde Schnaps zur Auflockerung.
Den Zeugen wurden indessen Plätze in der Mitte des Saales zugewiesen. Sie hatten Monate zuvor in Hamburg eine Frau gesehen, bei der es sich möglicherweise um Ulrike Meinhof gehandelt hatte. Die Gegenüberstellung sollte dazu dienen, ihre Beobachtungen zu verifizieren. Dreizehn Terroristenfahnder setzten sich zu den drei Zeugen: zwei Staatsanwälte, drei BKA -Beamte, zwei LKA -Beamte, vier Kripobeamte aus Kaiserslautern, eine Angehörige der weiblichen Kripo sowie der Leiter der Justizvollzugsanstalt Zweibrücken.
Dann wurde Ulrike Meinhof aus ihrer Zelle geholt. Wie es später im Protokoll hieß, »unter geringfügiger Gewaltanwendung«. Die Vorführung begann um 14 . 20 Uhr. Person Nummer eins wurde hereingeführt. Sie leistete Widerstand und stöhnte laut. Dann die Nummer zwei, Ulrike Meinhof. Sie rief: »Ich bin die Meinhof! Das soll eine Gegenüberstellung sein?« und versuchte, ihr Gesicht von den Zeugen abzuwenden. Kurz vor Verlassen des Raumes stolperte einer der Beamten über die sich wehrende Ulrike Meinhof. Die Dreiergruppe kam beinahe zu Fall. Person Nummer drei schrie schon vor Betreten des Saales lautstark »Nein!« und wurde gewaltsam vorgeführt. Auch sie versuchte, ihr Gesicht zu verdecken, und rief: »Mich sollt ihr sehen, ihr Kerle!«
Person Nummer vier wendete ebenfalls ihr Gesicht ab. Die beiden Begleitbeamten drehten ihr daraufhin den Kopf zurecht.
Person Nummer sechs mußte in der Saalmitte der Kopf festgehalten werden, sonst verhielt sie sich ruhig.
Beim zweiten Durchgang hatten sich die Füllpersonen eingespielt. Nummer eins kreischte: »Merkt ihr denn nicht, daß das immer eine Schau ist?«, murmelte Unverständliches und rief dann: »Ich bin die Meinhof.« Bei geringer Gegenwehr wurde sie durch den Saal geschleppt.
Person Nummer zwei schrie »Schweine!« und versuchte, die Beamten abzuschütteln.
Diesmal rangierte Ulrike Meinhof als Nummer drei. Während sie in den Saal geschleppt wurde, rief sie: »Hier ist nochmals die Meinhof.« Dann zog sie die Beine an, so daß sie getragen werden mußte. »Erkennt ihr sie?« Person Nummer vier blieb stumm und wurde mit angezogenen Beinen durch den Saal getragen. Person Nummer fünf ließ sich schleppen und stöhnte dabei. Person Nummer sechs schrie schon auf dem Flur und wehrte sich so stark, daß der Lärm im Saal gehört werden konnte. Vor den Zeugen schrie sie: »Laßt mich los, ihr Schweine! Ich bin’s wieder!« und schlug auf die Beamten ein. Der BKA -Beamte Keß von der Sicherungsgruppe Bonn notierte: »Nach Überzeugung des Unterzeichners war es den Erkennungszeugen und den im Saale anwesenden Beamten nicht möglich, aus dem Verhalten der gegenübergestellten Personen auf die Beschuldigte zu
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