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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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die Niedrigkeit abzuschaffen …« Diesen Satz hatte sie aus Bertolt Brechts Lehrstück »Die Maßnahme«, dem Stück über den Umgang mit Verrat. Brecht hatte verfügt, daß sein »Lehrstück« nicht aufgeführt werden dürfe, vielleicht erahnte er, daß manche die Botschaft allzu wörtlich nehmen könnten. Das Stück handelt von einem jungen Kommunisten, der sich ganz dem Gruppendruck unterwirft und am Ende der eigenen Tötung zustimmt: »Oftmals tat er das Richtige, einige Male das Falsche, aber zuletzt gefährdete er die Bewegung. Er wollte das Richtige und tat das Falsche.«
    In der »Maßnahme« heißt es:
    »Mit wem säße der Rechtliche nicht zusammen
    Dem Recht zu helfen?
    Welche Medizin schmeckte zu schlecht
    Dem Sterbenden?
    Welche Niedrigkeit begingest du nicht, um
    Die Niedrigkeit auszutilgen?
    Könntest du die Welt endlich verändern, wofür
    Wärest du dir zu gut?
    Wer bist du?
    Versinke in Schmutz
    Umarme den Schlächter, aber
    Ändere die Welt: sie braucht es!«
    Ulrike Meinhof ging in ihrer Anlehnung an Brechts Stück noch weiter. Das Lied »Lob der Partei« dichtete sie in ihrer Zelle in das »Lied der RAF « um, mit dem Untertitel »Lob des antiimperialistischen Kampfes«.
    »Die RAF ist der Vortrupp der Massen
    sie führt ihren Kampf
    mit den Methoden der Klassiker …
    Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft.«
    Die letzte Zeile stammt von dem KPD -Spitzenfunktionär Heinz Neumann und wurde 1932 von Kurt Tucholsky in einem Gedicht satirisch umgewandelt in »Küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft«.

3. Briefe aus dem toten Trakt
    Der erste Brief von Ulrike Meinhof an ihre inzwischen zehnjährigen Kinder wurde vom Haftrichter zurückgehalten.
    Am 12 . August 1972 , nach drei Monaten Untersuchungshaft, schrieb sie:
    »Liebe Regine und liebe Bettina –
    Es ist alles sehr schwierig. Es ist alles sehr einfach.
    Ihr denkt, Mami könnte ja nun endlich mal schreiben. Ich dachte, jetzt haben die Kinder ja meinen Brief. Ihr habt ihn nicht – ich weiß. Es war ein Wort drin, das der Richter, der meine Post kontrolliert, als beleidigend empfand – da hat er den Brief nicht an Euch weitergeschickt … Also fang’ ich jetzt wieder von vorne an. Ich habe jetzt schon zweimal Post von Euch gehabt. Natürlich habe ich mich unheimlich gefreut. Ich habe mir den siebenfach angesehen. Heute erfuhr ich auch, daß Ihr mich besucht und daß auch niemand von der Polizei dabei sein muß, nur zwei Aufseherinnen vom Gefängnis.
    He Mäuse! Und beißt die Zähne zusammen. Und denkt nicht, daß Ihr traurig sein müßt, daß Ihr eine Mami habt, die im Gefängnis ist. Es ist überhaupt besser, wütend zu werden als traurig zu sein. Au warte – ich werd’ mich freuen, wenn Ihr kommt. Verdammt, ja …«
     
    15 . September 1972 :
    »He Mäuse –
    … Ich sitze hier in meiner Zelle und führe meine Gedanken spazieren und einmal am Tag meine Beine auf einem Hof, wo ich hundert mal oder wie oft im Kreis rumlaufe. Da könnt ihr von mir keine großen Taten erwarten – von wegen, daß ich Euch besuche, das läuft nicht.
    Von mir gibt’s sonst nichts zu erzählen. Ich höre und sehe niemanden und nichts – nur die Wärter, wenn sie mir das Essen bringen –, da gewöhnt man sich das Mäkeln ab, wenn man nicht verhungern will, wobei ich nicht finde, daß Ihr Euch deshalb das Mäkeln abgewöhnen sollt – im Gefängnis ist das noch früh genug. Und ab und zu kommt ein Rechtsanwalt und staunt, was hier alles verboten ist. Und dann lese ich eben ein paar Bücher, die ich immer mal lesen wollte – mehr kann man im Gefängnis nicht machen. Seht zu, daß Ihr nicht nur älter, sondern auch klüger werdet, damit Ihr wißt, wo’s lang geht. Und erzählt mir nicht, man müßte auch hübsch sein. Das seid Ihr sowieso, und trotzdem ist das vollkommen unwichtig …
    Ich habe einen blauen Kittel an und darunter eine Strickjacke. Das ist die Gefangenenkleidung. Eine Zelle ist ein Zimmer mit einem Klo. Außerdem geht die Tür nur von außen auf und hat von innen weder eine Klinke noch ein Schlüsselloch. Die Tür ist auch viel größer als eine einfache Tür. Außerdem hat sie ein Guckloch. Ab und zu guckt ein Polizist durch das Loch, ob ich noch da bin. Bisher war ich jedesmal da. Das Fenster ist nämlich auch zu, und davor ist noch ein Gitter aus Beton, und davor ist noch ein Fliegengitter.
    Von außen sieht das Gefängnis – glaube ich – sogar ganz hübsch aus. Drumherum ist eine riesige weiße Mauer. Zu den

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