Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
niederließ, war diese Aktion den Inhaftierten nicht genug.
Manfred Grashof schrieb seinen Anwälten:
»Wenn Ihr Euch nicht umgehend von dem Verdacht befreit, uns angeschissen zu haben, sehe ich schwarz für die weitere Zusammenarbeit …
Unsere letzte und stärkste Waffe ist unser Körper, ihn haben wir kollektiv eingesetzt …
Jedenfalls verlange ich eine gründliche Selbstkritik …«
Das wollten manche Anwälte sich denn doch nicht sagen lassen. »Die Jacke ziehen wir uns nicht an«, antwortete Rechtsanwalt Ströbele. »Vielleicht macht Ihr Euch bis zu meinem nächsten Besuch im Laufe der nächsten Woche auch mal grundsätzliche Gedanken zur Funktion der Anwälte … Aber bitte realistische. Die Anwälte als Speerspitze der Revolution oder der RAF oder der verlängerte Arm der RAF -Genossen, die inhaftiert sind? Wohl kaum! Oder dann eben keine juristische Hilfe mehr!«
»Kein Zweifel, jedes niedergelegte und jedes entzogene Mandat ist Scheiße«, schrieb Gudrun Ensslin, »nützt den Bullen … macht uns aber natürlich nicht erpreßbar.«
Als sie dem Hamburger Rechtsanwalt Wolf Dieter Reinhard das Mandat entzog, meinte sie: »Man wird vielleicht kritisieren den Schritt, den ich gegen Reinhard gemacht habe … Warum? Weil Reinhard nicht zuhört, das Zeug, das wir schreiben, nicht liest …«
Der Anwalt begreife nicht, »was für uns (und allerdings auch für ihn) lebenswichtig ist: Identifizierung, und so schließlich vielleicht mal Identität …«
In einem anderen Brief schrieb sie: »Die Anwälte, die sich dem Politisierungsprozeß zäh und gerissen entziehen, muß man rausschmeißen … Ob sie uns im Prozeß verteidigen, ist eine andere Frage. Ihre Besuche muß man nicht ertragen.«
Als einige Verteidiger sich den Befehlston aus der Zelle verbaten, lenkte Gudrun Ensslin etwas ein: »Liebe RA ’s! Seid’s doch nicht so empfindlich. Überlegt selbst und – verdammt – versteht nicht nur – auch begreift! – die hungernde Ungeduld in der Pest der Isolation!«
Im nächsten Satz aber war sie schon wieder ganz Chefin: »Wart Ihr bei Böll, Sölle, Scharf, Mitscherlich, Niemöller, noch mal Gollwitzer, Amnesty, Flechtheim, Schallück, Brentano und dann noch bei all denen, die wir Euch gesagt haben? Bei Kipphardt, Peter Stein – habt Ihr die bekniet?«
Die von Gudrun Ensslin genannten Prominenten sollten gemeinsam Strafantrag gegen den nordrhein-westfälischen Justizminister Posser stellen, weil Ulrike Meinhof wieder im »toten Trakt« von Köln-Ossendorf einsaß. »Wenn sie’s aber nicht tun – und natürlich tun sie’s wahrscheinlich nicht«, ergänzte Gudrun Ensslin, »kann man sie aber damit erpressen, sich was andres einfallen zu lassen … z.B. so was wie Böll im Spiegel …«
Allzuviel Erfolg hatten die Gefangenen nie bei ihrem Versuch, die linke und liberale Öffentlichkeit für ihre Ziele einzuspannen. Wenn sich politische oder moralische Autoritäten für eine Verbesserung der Haftbedingungen einsetzten, dann eher wegen der kleinen oder großen Schikanen in den Haftanstalten.
Tatsächlich galt für die meisten Gefangenen ein Katalog von Sondermaßnahmen, wie ihn der Leiter der Vollzugsanstalt Wittlich auf Betreiben der Sicherungsgruppe Bonn am 26 . März 1973 gegen Holger Meins erlassen hatte. Darin hieß es:
»Besuche bei dem Untersuchungsgefangenen Meins werden nur in Gegenwart von zwei Beamten durchgeführt. Der Gefangene wird unmittelbar nach jedem Besuch körperlich durchsucht und neu eingekleidet.« Während der Bewegung des U-Gefangenen Meins im Freien dürften keine Fahrzeuge in die Anstalt eingelassen werden, Ausnahmen seien nur zu machen, wenn der Fahrer bekannt sei, zum Beispiel der Viehhändler und der Eierhändler.
Und weiter: »Der Untersuchungsgefangene Meins wird auf Abteilung 2 , Zelle 51 in strenger Einzelhaft gehalten.
Die unmittelbar rechts und links und die unter und über der Zelle des U-Gefangenen Meins liegenden Zellen dürfen nicht mit Gefangenen belegt werden.
Der Gefangene wird nur im Beisein des Aufsichtsdienstleiters in Begleitung eines zweiten Beamten in der Zelle aufgesucht.
Die Essensausgabe, der Kleidertausch, die Ausgabe von Reinigungsmitteln u. ä. erfolgt ausschließlich durch Anstaltsbedienstete ohne Beisein von Gefangenen.
Einzelspaziergang mit Bewachung durch zwei Bedienstete. Von diesen ist ein Bediensteter bewaffnet. Er hat die Waffe verdeckt zu tragen.
Der U-Gefangene ist bei der Bewegung im Freien ab
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