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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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RAF angehörten.
    Dieser zweite Hungerstreik dauerte sechs Wochen, vom 8 . Mai bis zum 29 . Juni 1973 .
    Zum ersten Mal setzten die Gefängnisbehörden das Mittel der Zwangsernährung ein. Nach einer leichten Lockerung der Haftbedingungen, wohl auch Ergebnis der breiten Öffentlichkeit, die der Streik fand, begannen die Gefangenen, wieder Nahrung zu sich zu nehmen.
    Schon vor dem offiziellen Ende der Aktion hatte Gudrun Ensslin in einem Zellenzirkular geschrieben: »Aus dem Hungerstreik ist die Hefe raus … aber scheiß drauf … Wir werden mit dem Streik die Aufhebung der Isolation nicht erreichen, und wie’s aussieht, nicht mal das KZ .«
    Ein Grund für den Abbruch mag auch gewesen sein, daß sich der Gesundheitszustand einiger der Hungernden rapide verschlechterte. Daraufhin war über das Info die Anweisung gekommen: »Alle, bei denen die Zwangsernährung glimpflich/erträglich abläuft … soll’n weiterhungern. Alle anderen – z.B. Andreas – hören sofort auf. Und das ist, verdammt, ein Befehl!«
     
    Horst Mahler lehnte den Hungerstreik als »Ohnmachtsstrategie« ab und hielt ihn nur in außergewöhnlichen Notfällen für berechtigt, »dann ist das Mittel des Hungerstreiks zulässig, wenn es wirklich ums Überleben der RAF geht …«
    Gerhard Müller, damals noch voll auf Linie, schrieb dazu: »Wenn ich das lese, kriege ich eine Wut – Du Arschloch, halt die Schnauze. Wenn Du nicht von Deinem Sockel runter willst, muß man Dich runter knallen.«
    Vorbehalte gegen Hungerstreiks und den Begriff des politischen Gefangenen hatten auch Mitglieder der Roten Hilfe Berlin. Ein Papier mit dem Titel »Einige individuelle Gedankensplitter zum Hungerstreik« löste mit seinen ketzerischen Thesen einen Proteststurm unter den Inhaftierten aus.
    »Der Hungerstreik ist ein moralisches Kampfmittel. Er rechnet mit dem Vorhandensein humanitärer Gefühle bei dem zu Erpressenden – ein anderer lacht nur darüber.
    Der Hungerstreik der RAF -Genossen wendet sich somit einmal mehr an die alte, ewig gleiche Sympathisantenszene der RAF : das linksliberale, anpolitisierte und sensibilisierte Bürgertum … Nur dort kann der Hungerstreik verstanden werden und Bestürzung und Aktivität hervorrufen. Die Verknüpfung sozialistischer Kampfziele mit dem Hungerstreik ist schlichter Unsinn. Keiner denkt daran, ein System, das sich humanitär erpressen läßt, abzuschaffen.«
    Die Gefangenen und einige ihrer Anwälte bezeichneten das Schriftstück als »Bullen-Papier«.
    Ulrike Meinhof in einem Zellenzirkular: »Zu der Tatsache, daß wir von Folter reden, fällt Euch nichts anderes ein als: Was wollt Ihr denn, Ihr lebt ja noch.«
     
    Immer noch hielt Ulrike Meinhof Kontakt zu ihren Kindern. Einmal wurden die Zwillinge während des Hungerstreiks zu ihrer Mutter gelassen. Bleich und abgemagert, geschwächt und mit blau angelaufenen Händen saß sie den Mädchen in der Besucherzelle gegenüber.
     
    Im Mai 1973 schrieb sie ihren Töchtern:
    »Haltet die Daumen, daß wir mit unserem Hungerstreik was erreichen. Mehr als Daumen halten könnt Ihr ja wohl noch nicht tun.
    Laßt wieder von Euch hören.
    Tschüs Mami
    Mal zusammen Fußball spielen? Hätt ich natürlich Lust.«
     
    Zur gleichen Zeit lehnte das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde der Baader-Meinhof-Verteidiger gegen die strengen Haftbedingungen ab.
     
    Im Spätherbst 1973 schrieb Ulrike Meinhof an ihre Kinder:
    »Also ich mach mir jetzt ziemlich viele Gedanken über Euch. Oma soll mal schreiben, wie’s läuft. Sagt ihr das.
    Und besucht mich!
    Und schreibt – los! Oder malt mir was, ja? Ich finde, ich brauche mal wieder ein neues Bild. Die ich hab, kenn ich jetzt auswendig.
    Meine Idee, daß Ihr mal sagen sollt, wie ich denn nun bei Euch heiße, war, glaube ich, eine Schnapsidee.
    Ich bin eben die Mami, Eure, fertig.«
     
    Kurz vor Weihnachten 1973 brach Ulrike Meinhof den Kontakt zu ihren Kindern abrupt ab. Ein Adventskalender, den die Kinder gebastelt hatten, kam zurück: Annahme verweigert. Auf die Briefe ihrer Kinder antwortete sie nicht mehr. Die Mädchen sahen ihre Mutter nie wieder.
     
    Am 5 . Februar 1974 wurde Gudrun Ensslin nach Köln-Ossendorf verlegt, wo sie eine Zelle neben Ulrike Meinhof bezog. Die bis dahin strenge Einzelhaft der Frauen wurde gelockert. Sie durften gemeinsam zum Hofgang und konnten sich außerdem bis zu zwei Stunden täglich gemeinsam in einer Zelle einschließen lassen.
    Manchmal spielten sie zusammen Mühle.

11. »Es

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