Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
retten; es ging darum, den Kampf nicht mehr abreißen zu lassen.«
»Bassa Sammelpunkt ist Theres«, verfügte Gudrun Ensslin, »kriegt Arbeit, ich seh das nicht in der Dimension von Jahren, aber doch von Monaten bis ein Jahr, so ungefähr.«
Doch Ulrike Meinhof kam mit der Arbeit nicht voran.
Gudrun Ensslin drängte: »Bassa wäre das, ist das, deshalb läßt man Dir keine Ruhe. Und jeder, außer natürlich Dir, weiß, daß Du die Stimme [der RAF ] warst, bist, sein wirst.«
Ulrike Meinhof antwortete: »… und außerdem denkst Du natürlich viel schneller als ich, und – Himmel! – abgesehen davon, daß ›Stimme‹ ein Wort ist, dem man sowieso nur aus’m Weg gehen kann …« Im übrigen habe Gudrun ohnehin die Endredaktion. Ulrike Meinhof schaffte es noch, die Hungerstreikerklärung zu verfassen. Mit ihren Entwürfen dafür waren Baader und Ensslin offenbar nicht zufrieden und kritisierten sie scharf. Ulrike Meinhof reagierte mit Selbstzweifeln und Selbstkritik.
Über ihr Verhältnis zu Baader schrieb sie:
»Das Wesentliche, mein gestörtes Verhältnis zu Euch und besonders zu Andreas käme daher, daß ich nicht von der revolutionären Gewalt durchdrungen sei, war einfach ’ne schamlose Phrase, bezogen auf das, was hier bei mir Sache ist:
Meine Sozialisation zum Faschist, durch Sadismus und Religion, die mich eingeholt hat, weil ich mein Verhältnis dazu, d.h. zur herrschenden Klasse, mal ihr Schoßkind gewesen zu sein, nie vollständig aufgelöst, restlos in mir abgetötet habe …
Die Scheiße in meinem Wahn … sich zur RAF verhalten, wie ich mich zur herrschenden Klasse verhalten habe: Arschkriecher; d.h. Euch behandeln wie Bullen, das heißt einfach: Selbst längst ’n Bulle sein, in den psychischen Mechanismen von Herrschaft und Unterwerfung, Angst und Klammern an die Vorschrift. Eine scheinheilige Sau aus der herrschenden Klasse, das ist einfach die Selbsterkenntnis. Alles nur ›als ob‹ …«
Das erinnerte an manches, was Ulrike in ihren Hörfunksendungen zur sadistischen Heimerziehung gesagt hatte: »Sadomasochismus bedeutet, daß das, was den einen quält, dem anderen Spaß macht. Bedeutet aber auch, daß gequält werden Spaß macht, daß die, die quälen, auch gerne gequält werden, daß in den Gequälten das Bedürfnis entsteht, selbst zu quälen.« Es war ein Psychodrama, das sich in Stammheim abspielte, vor allem zu Lasten von Ulrike Meinhof.
In der Erinnerung an die Niederlage der RAF , die Verhaftungen im Frühsommer 1972 , vielleicht auch das Springer-Attentat, schrieb sie: »Ich dachte dann, Ihr müßtet mich doch kritisieren. Im Trakt hatte ich auch ’ne Zeitlang gedacht, daß das eigentlich klar sein müßte, daß die Niederlage 72 hauptsächlich durch meine Scheiße kam. Aber das war natürlich – so – auch nur der verdrehte Größenwahn. Aber in der Erwartung, kritisiert zu werden, steckte die Kapitulation vor der Schwäche, es nicht selbst zu bringen – wollte geführt werden. Eine Nonne, weil da drin immer, bei mir: religiöser Wahn …«
Baader antwortete auf Ulrike Meinhofs verzweifelte Selbstkritik mit ein paar handschriftlichen Sätzen, die er auf die Rückseite des kritisierten Entwurfs für die Prozeßerklärung kritzelte: »Und hör endlich auf, Dich zu quälen und zu kriechen. Arbeite, wie es möglich ist. Du hast den falschen Schluß aus der Kritik gezogen. Du sollst Dich nicht zu einem kriechenden Köter regredieren, sondern Dir endlich mal dazu verhelfen, daß Du das, was Du wissen kannst, auch bringst.«
Noch im August 1974 zeichnete Andreas Baader die »Selbstkritik« Ulrike Meinhofs für das »Info« ab. Damit bekamen auch die übrigen RAF -Gefangenen Kopien der Schriftstücke übersandt – zusammen mit Selbstanklagen anderer RAF -Mitglieder.
Margrit Schiller schrieb: »Haß: Ich hatte immer eine wahnsinnige Angst vor a [Baader], was ja nur die andere, die fotzige Seite von Haß ist … die Abwehr meiner Enteignung gegenüber demjenigen, der sich nicht bestechen ließ …«
Gudrun Ensslin antwortete ihr und charakterisierte Andreas Baaders Rolle in der Gruppe:
»Der Rivale, absolute Feind, Staatsfeind: das kollektive Bewußtsein, die Moral der Erniedrigten und Beleidigten, des Metropolenproletariats – das ist Andreas.
Daher der Haß der Bourgeoisie, Presse, bürgerlichen Linken, auf ihn konzentriert …
Weil sich schon der 14 . Mai [ 1970 , Baader-Befreiung in Berlin] als genau das vermittelt hat – Machtkampf. Der erste,
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