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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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neuer Präsident gewählt. John F. Kennedy verstand es, mit seiner Politik der »New Frontier« bei vielen Jugendlichen – nicht nur in Amerika – Hoffnungen auf einen neuen Kurs zu wecken: Beendigung des Kalten Krieges, Gerechtigkeit für die armen Länder der Dritten Welt, Beseitigung des Elends und der Rassendiskriminierung im eigenen Land.
    Bei seinem Staatsbesuch in der Bundesrepublik kam Kennedy auch nach Westberlin und wurde im Juni 1963 von den Studenten bejubelt wie nie ein Politiker zuvor – jedenfalls nicht seit Kriegsende.
    Fünf Monate nach seinem Besuch in Bonn und Berlin wurde Präsident Kennedy in Dallas (Texas) ermordet.
    Ulrike Meinhof kommentierte in »konkret«: »Die Trauer verebbt, die Leere bleibt. Der Mann, von dem die Völker der Welt glaubten, er werde Frieden machen, ist tot … Was gefunden werden muß, sind nicht Rückwege, sondern Auswege – Alternativen … Es muß begriffen werden in Deutschland, daß unser Geschick in unseren eigenen Händen besser aufgehoben ist als in den Händen eines großen Bruders, der selbst Spielball ist von Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen. Es ist an der Zeit, daß die deutsche Bundesrepublik von ihrer vor acht Jahren erlangten Souveränität souveränen Gebrauch macht.«
    Zur gleichen Zeit erschien in Westberlin ein Flugblattmanifest, das ganz andere Töne anschlug. Die Überschrift: »Auch Du hast Kennedy erschossen«.
    »Der Schock, daß Halbgötter durch eine Kugel sterben können, findet seinen Ausdruck im Erstaunen, daß der Tote wirklich tot ist. In Wahrheit wird durch den Rummel nach dem Mord vorgetäuscht, in einer Welt austauschbarer Marionetten sei ein Kennedy nicht austauschbar und ein einzelner könne noch Geschichte machen, wo doch jeder nur noch wollen kann, was er soll, und wo doch die autonomen Mechanismen der repressiven Gesellschaft in jedem einzelnen zwangsläufig sich reproduzieren …«
    »Durch diese Manifest geben wir kund, daß der gegängelte Zauber nicht mehr überall ankommt.«
    Das war eine neue Farbe auf der Palette linker Argumentation.
    Unterschrift: »Subversive Aktion«.
    Die Autoren: Dieter Kunzelmann, Rudi Dutschke, Bernd Rabehl und andere Mitglieder des Westberliner SDS .
    Eine neue studentische Generation hatte sich erstmals an die Öffentlichkeit gewandt.
     
    Damals bereitete sich die oppositionelle SPD darauf vor, in der anstehenden Bundestagswahl 1965 die verbrauchte und bereits durch die »Spiegel-Affäre« im Oktober 1962 schwer angeschlagene CDU / FDP -Regierung abzulösen.
     
    Günter Grass gründete das »Wahlkontor der Schriftsteller«, trommelte für die »Es-Pe-De« und ihren Kanzlerkandidaten Willy Brandt.
    Im »Wahlkontor« in Berlin arbeitete auch eine junge Germanistikstudentin für den Erfolg der SPD . Gudrun Ensslin war zu Beginn des Jahres 1964 aus dem Schwäbischen in die alte Reichshauptstadt gekommen.

7. Gudrun Ensslin
    Die Ortschaft Bartholomä liegt am Ostrand der Schwäbischen Alb, zwischen Heidenheim, Schwäbisch-Gmünd und Geislingen. Das Dorf gehörte einmal zu den Pappenheimern, wurde im Dreißigjährigen Krieg verwüstet und danach neu besiedelt. In der Dorfchronik ist zu lesen, daß damals »Fahrende aller Art, Heimatlose und Vagabunden – Württemberger, Sachsen, Ungarn, Spanier, Kroaten« – das menschliche Strandgut aller Kriege des 17 . und 18 . Jahrhunderts – gegen einen Gulden Einstandsgeld seßhaft gemacht wurden.
    Das evangelische Bartholomä, benannt nach der lutherischen Dorfkirche, wurde wieder katholisch. Bartholomä hat etwa 2000 Einwohner, zwei Drittel davon sind katholisch. Die CDU erringt regelmäßig die absolute Mehrheit.
    Neben der Kirche steht ein 200  Jahre altes, verwohntes Pfarrhaus mit Garten. Von 1937 bis 1948 lebte hier die Familie des evangelischen Pfarrers Helmut Ensslin und seiner Frau Ilse. Die Familie hatte sieben Kinder. Gudrun, das vierte Kind, wurde 1940 geboren.
    Pfarrer Ensslin zog sich in seiner freien Zeit oft zum Malen zurück. Die Mutter galt als starke Persönlichkeit mit einen Hang zur Mystik. Im Pfarrhaus las man in den fünfziger Jahren das linke Kirchenblatt »Stimme der Gemeinde«, herausgegeben von Martin Niemöller, in dem zum Ausgleich mit Moskau aufgerufen, Adenauers Westpolitik angegriffen und gegen die Wiederbewaffnung polemisiert wurde.
    Gudrun Ensslin besuchte in Tuttlingen das Gymnasium und folgte dem Beispiel ihrer Eltern, die in ihrer Jugend der Wandervogelbewegung angehört hatten. Sie ging mit

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