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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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Kommunikationswege zu untersuchen.
    Wenige Tage nach dem Anschlag von Stockholm rückten am 1 . Mai 1975 noch einmal die Techniker des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Stammheim an und leisteten weitere »Hilfstätigkeit« für die baden-württembergischen Kollegen.
     
    Eine gute Woche später, am 9 . Mai 1975 , meldete sich das »Referat Staatsschutz« des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg beim »Verbindungsreferenten« des Bundesnachrichtendienstes ( BND ) in Stuttgart. Ohne ihm nähere Einzelheiten mitzuteilen, wurde der BND -Mann um »technische Beratung« gebeten. Der Verbindungsreferent unterrichtete seine Zentrale in Pullach bei München. Daraufhin wurde am 12 . Mai ein Techniker des BND zum Landeskriminalamt nach Stuttgart geschickt. Dort erfuhr er zunächst nur, daß man »ein Gespräch über technische Beratung« wünsche.
    »Wenn ich beraten soll, dann muß ich auch wissen, was das konkret ist«, sagte der Abhörspezialist, »sonst kann ich keinen Rat geben.« Daraufhin wurde der Geheimdienstmann nach Stammheim in die Vollzugsanstalt gebracht. Man zeigte ihm das von den Kölner Kollegen installierte Abhörsystem und fragte, ob die Anlage möglicherweise »verändert oder verbessert« werden könne.
    »Unter den gegebenen Umständen nicht«, sagte der BND -Mann und fuhr zurück nach Pullach.
     
    Drei Tage später, am 15 . Mai 1975 , meldete sich das LKA wieder in Pullach beim Bundesnachrichtendienst. Diesmal ging es um mehr als »technische Beratung«. Die Techniker des Nachrichtendienstes sollten eine Abhöranlage in Stammheim installieren. Die BND -Spitze gab zu bedenken, daß eine solche Operation vorher mit dem Bundeskanzleramt abzustimmen sei. Dort war Staatssekretär Dr. Manfred Schüler für die Koordination der Geheimdienste zuständig und hatte die Aufsicht über den BND .
     
    Am folgenden Tag, dem 16 . Mai, versuchte Ministerialdirektor Kurt Rebmann vom Stuttgarter Justizministerium, den Präsidenten des BND , Wessel, ans Telefon zu bekommen. Wessel war nicht da, sein Vertreter ebenfalls nicht. Rebmann ließ sich mit dem Abteilungsleiter Rieck verbinden und schilderte in groben Zügen sein Anliegen. Einzelheiten wollte er am Telefon »aus naheliegenden Gründen« nicht sagen. Rieck verwies Rebmann an das Bundeskanzleramt.
     
    Rebmann, im baden-württembergischen Justizministerium für den Komplex Stammheim zuständig und später Generalbundesanwalt, rief den zuständigen Gruppenleiter im Kanzleramt, Ministerialdirigent Schlichter, an und beschwerte sich über die bürokratische Schwerfälligkeit des BND . Die Sache sei sehr dringend, und der BND könne die gewünschte technische Hilfe wohl am besten leisten.
    Schlichter fragte, ob die geplante Abhörmaßnahme rechtlich geprüft sei. Rebmann bestätigte das. Zwei Häuser, das Innen- und das Justizministerium, seien der Auffassung, die Sache sei »rechtlich einwandfrei und liege im übrigen in der völligen Verantwortung des Landes«.
    Schlichter, der den Stuttgarter Ministerialdirektor als »sehr qualifizierten Juristen« kannte, gab sich damit zufrieden und erstattete seinem Chef, dem Staatssekretär Schüler, Bericht. Schüler stimmte der Einschaltung des Bundesnachrichtendienstes zu. Ein paar Tage später gab er dem BND -Präsidenten Wessel grünes Licht.
     
    Kurz darauf reisten die Techniker des BND nach Stammheim und installierten Abhöranlagen in »zwei nicht belegten Zellen«.
    Damit waren wohl insgesamt sieben Zellen in Stammheim »verwanzt«: fünf durch die Techniker des Bundesamtes für Verfassungsschutz, zwei durch Techniker des Bundesnachrichtendienstes.
     
    Zwei Jahre lang konnte die Stammheimer »Lauschaktion« geheimgehalten werden. Dann mußten die beiden verantwortlichen Minister, Traugott Bender, Justiz, und Karl Schiess, Inneres, zugeben, daß in Stammheim abgehört worden war. Sie erklärten damals, in »zwei Fällen rechtfertigenden Notstands« seien in der Vollzugsanstalt Gespräche zwischen Verteidigern und Mandanten mitgeschnitten worden:
    »Die erste Maßnahme begann am Tag nach dem Anschlag auf die Deutsche Botschaft in Stockholm vom 24 . April 1975 . Die Abhörung von Gesprächen erfolgte an zehn Tagen, letztmals am 9 . Mai 1975 .
    Das zweite Mal wurde nach der Festnahme des früheren Rechtsanwalts Haag und Roland Meyer vom 30 . November 1976 abgehört. In dieser zweiten Phase wurden Abhörmaßnahmen an insgesamt zwölf Tagen vollzogen, nämlich im Zeitraum zwischen dem 6 . Dezember und 21

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