Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Gefangenen ist ein unverantwortlicher Vertrauensbruch gegenüber einem Mann, der sich ja nicht aus Vergnügen für diese schwierige Aufgabe zur Verfügung gestellt hat.«
Die »Wanzen« im Frankfurter Flughafen waren nicht die einzigen, die in diesen Tagen installiert worden waren.
Am 27 . Februar 1975 , dem Tag der Lorenz-Entführung, rief der Präsident des baden-württembergischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Wagner, beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln an. Er ließ sich mit dem Leiter der Abteilung 4 , Rausch, verbinden. Wagner erklärte dem Chef der Spionagebekämpfung, er benötige technische Hilfe. In Stammheim sollten Abhörmikrophone, Wanzen, zum Einsatz gebracht werden.
Ohne seinen Chef Günter Nollau, den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, zu informieren, sagte Rausch zu. Am 1 ., 2 . und 3 . März 1975 installierten zwei Techniker des BfV in fünf Zellen der Vollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim Abhörmikrophone. Damals wurde »ganz allgemein so verfahren«, erklärte Rausch später dem Bundesinnenministerium, »daß bei Inanspruchnahme der ›Nachrichtendienst-Technik‹ und von Observationskräften anderer Teile des BfV oder durch die Landesämter für Verfassungsschutz ich als Leiter der Abteilung Spionagebekämpfung lediglich in groben Zügen über das Hilfeersuchen unterrichtet worden bin. Die Durchführung der Operation war ausschließlich Sache der in Anspruch nehmenden Stelle und gehörte auch voll in deren Verantwortlichkeit.«
25. Sturm auf die Deutsche Botschaft
In Stammheim wurden gerade die letzten Meter der Mauer rings um die für den Baader-Meinhof-Prozeß gebaute sogenannte Mehrzweckhalle gestrichen. Im Sitzungssaal schalteten Tontechniker die Regler für die Lautsprecheranlage, und eine Putzkolonne brachte die gelben Plastikstühle für die Zuschauer auf Hochglanz. In kleiner Runde erklärte der Gerichtsvorsitzende Dr. Theodor Prinzing, 49 : »Der Prozeß wird stattfinden, zumindest beginnen.«
Kurz vor 12 . 00 Uhr mittags am 24 . April 1975 hielten sich etwa hundert Schweden und Deutsche in der Botschaft der Bundesrepublik in Stockholm auf. Sechs von ihnen waren mit Pistolen und Sprengstoff beladen: Siegfried Hausner, 23 Jahre alt, der schon als Schüler Bomben gebastelt hatte und später im »Arbeitskreis Sprengtechnik« des »Sozialistischen Patientenkollektivs« Heidelberg wirkte. Hanna-Elise Krabbe, 29 , Beste ihres Abiturjahrgangs in Nordhorn, als Studentin in Heidelberg ebenfalls Mitglied des SPK . Karl-Heinz Dellwo, 23 , Postangestellter, der sich in Hamburg der militanten Hausbesetzerszene angeschlossen hatte. Lutz Taufer, 31 , Mitglied im SPK . Bernhard-Maria Rössner, 29 , der Polizei aufgefallen als Initiator einer Sitzdemonstration gegen die »Folterhaft« in Hannover. Ulrich Wessel, 29 , Millionärssohn, Mitglied der RAF -Sympathisantenszene in Hamburg.
In der Konsularabteilung zogen die sechs ihre Waffen, griffen sich einen Botschaftsangestellten, von dem sie offenbar wußten, daß er die Schlüssel zum oberen Stockwerk des Gebäudes hatte, und schossen auch schon los. In wilder Panik flüchteten die meisten Anwesenden ins Freie. Elf wurden von den Bewaffneten festgehalten, in den dritten Stock der Botschaft getrieben und dort gefesselt, geknebelt und auf den Fußboden gelegt.
Wenige Minuten später war die schwedische Polizei zur Stelle, besetzte die untere Etage und bereitete sich mit Gaspatronen auf einen Angriff auf das Obergeschoß vor. Einer der Terroristen forderte, die Polizei solle verschwinden: »Sonst erschießen wir den deutschen Militärattaché.« Die Polizei blieb.
Um 13 . 17 Uhr meldeten sich die Botschaftsbesetzer telefonisch im Stockholmer Büro der Deutschen Presseagentur: »Das ›Kommando Holger Meins‹ hat Botschaftsmitglieder gefangengenommen, um Gefangene in Westdeutschland zu befreien. Wenn die Polizei eingreift, wird das Gebäude mit fünfzehn Kilo TNT gesprengt.«
Die Besetzer hatten im Eckzimmer des Botschafters Stoecker bereits Sprengstoff deponiert und Zündkabel unter dem Teppich verlegt. Noch einmal forderten sie den Einsatzleiter der schwedischen Polizei auf, seine Leute abzuziehen: »Innerhalb von zwei Minuten, oder es knallt.« Als keine Reaktion erfolgte, befahlen sie dem Militärattaché Andreas Baron von Mirbach, mit gefesselten Händen auf den Flur zu treten. Dann schossen sie. In Kopf, Brust und Bein getroffen, brach der Oberstleutnant zusammen. Zwei schwedische Polizisten,
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