Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
. Januar 1977 .«
Die Gespräche, so Bender damals, seien auf Band aufgenommen und anschließend sofort wieder gelöscht worden. Lediglich von einem Gespräch zwischen dem Rechtsanwalt Klaus Croissant und Ulrike Meinhof am 29 . April 1975 gebe es noch eine Tonbandabschrift. Bender legte sie dem Stammheimer Gericht vor. Es war ein kleiner Auszug des Gesprächs, aus dem Zusammenhang gerissen und damit vieldeutig:
Dr. Croissant: »Ich habe wieder ein Interview.« (Es folgen einige unverständliche Worte und Lachen.) »Das muß natürlich raus, dann geht’s mir wieder besser, das seh ich noch. Verstehst?« (Es folgen einige unverständliche Worte.) »Wir haben den Pop Shop oder weiß der Teufel was mit Franz S. Und einen Typ …« (Der Rest des Satzes ist unverständlich.) »Und er hat gesagt, es muß aber auch ziehn. Es könnte ja auch ein Kind sein, das die Terroristen nehmen. Ein Kind, ja. Dann ist die Entscheidung genauso schwierig für die Regierung. Es kann ja auch ein Kind sein, vom Spielplatz. Das war mir dann zuviel, da hab ich mal geschrien …« (Der letzte Halbsatz ist undeutlich.)
Meinhof: »Aber, ich will grad sagen.«
Dr. Croissant: »Aber das ist wohl zu blöd mit Terror.«
Meinhof: »Das ist zu blöd. Das ist doch ganz einfach. Wenn also wirklich wer ein Kind, uns auszulösen, ich bitte dich, dann sollte man es tun.«
Dr. Croissant: »Ahhh.«
Das Originalband dieses ominösen Gesprächs zwischen Ulrike Meinhof und Klaus Croissant wurde niemals vorgelegt; angeblich war es gelöscht worden. Nur dieses »Transkript« gelangte zu den Akten. Es bleibt deshalb offen, ob Ulrike Meinhof und Croissant sich tatsächlich so geäußert hatten.
Damals wurde lediglich zugegeben, daß in zwei Phasen Anwaltsgespräche abgehört wurden. In wie vielen Zellen die Mikrophone installiert waren, wurde weiterhin geheimgehalten. Die Staatsanwaltschaft ermittelte auf Anzeige von BM -Verteidigern gegen die Minister Bender und Schiess.
Generalstaatsanwalt Schüler schrieb am 23 . Mai 1977 an die beiden Minister und bat um Aufklärung: »War die Abhöranlage nur in einer oder in mehreren Zellen installiert? Mit welchen Angeklagten waren die abgehörten Zellen belegt? Sind nur Gespräche mit Verteidigern abgehört worden? Konnten durch die Anlage auch andere Gespräche abgehört werden?«
Innenminister Karl Schiess antwortete dem Staatsanwalt am 8 . Juni 1977 : »Die Abhörmaßnahmen erfolgten in den Besucherzellen, in den Haftzellen waren keine Abhöreinrichtungen vorhanden. Es sind nur Gespräche mit Verteidigern abgehört worden.«
Die Tatsache, daß Geheimdiensttechniker Mikrophone in fünf und dann noch einmal in zwei Zellen eingebaut hatten, läßt den Rückschluß zu, daß es nicht nur die Besucherzellen für Anwälte waren, in denen gelauscht wurde. Im siebten Stock von Stammheim gab es nämlich nur vier solcher Räume.
Der Stuttgarter Ministerialdirektor im Justizministerium Dr. Kurt Rebmann, der selbst maßgeblich an der Einleitung der Abhörmaßnahmen beteiligt war, weigerte sich, dem Generalstaatsanwalt gegenüber Angaben zu machen. Er schrieb am 29 . Juni 1977 : »Im Hinblick darauf, daß die einschlägigen Vorgänge der Staatsanwaltschaft bekannt sind, habe ich nicht die Absicht, zu dem gegen mich erhobenen Vorwurf wegen der Abhörmaßnahmen in der Vollzugsanstalt Stuttgart Stellung zu nehmen.«
Der Generalstaatsanwalt gab sich mit dieser Antwort zufrieden. Vierzehn Tage später, am 13 . Juli 1977 , trat Rebmann sein neues Amt als Generalbundesanwalt in Karlsruhe an.
Zwei Wochen nach dem Anschlag auf die Stockholmer Botschaft wurde Rechtsanwalt Siegfried Haag festgenommen. Er sollte in der Schweiz Waffen für die Botschaftsbesetzer besorgt haben. Als sich jedoch bei der Durchsuchung seiner Anwaltskanzlei keine Beweise fanden, wurde er am 10 . Mai 1975 wieder freigelassen. Haag tauchte unter. In einer Presseerklärung teilte er mit: »In einem Staat, der politische Gefangene durch systematische Langzeitisolation foltert und der Gehirnwäsche in toten Gefängnistrakten unterzieht, in einem Staat, dessen Funktionsträger Holger Meins und Siegfried Hausner hingerichtet haben«, könne er seinen Beruf als Rechtsanwalt nicht mehr länger ausüben. Am Ende verkündete er: »Es ist an der Zeit, im Kampf gegen den Imperialismus wichtigere Aufgaben in Angriff zu nehmen.«
Der Untergrundkampf sollte weitergehen, während die Gründergeneration der RAF in Stammheim vor Gericht stand. Knapp
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