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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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entfernt.

12. »Herr Baader, Sie haben mich ein faschistisches Arschloch geheißen«
    ( 26 . Tag, 19 . August 1975 )
    Wieder einmal wollte der Vorsitzende mit der Vernehmung zur Person beginnen. Aber noch waren die Angeklagten nicht von Ärzten ihres Vertrauens untersucht worden. Die Verteidiger erklärten, sie könnten es nicht mehr verantworten, daß die Angeklagten mit Medikamenten gedopt würden, nur um während der Verhandlung nicht von den Stühlen zu fallen. Die oberflächliche Begutachtung durch Sachverständige wie den Gefängnisarzt Dr. Henck reiche nicht aus, um den Gefangenen Verhandlungsfähigkeit zu bescheinigen.
    Rechtsanwalt von Plottnitz beschied dem Gericht: »Wir werden hier erst wieder verteidigen, wenn nicht mit Provisorien gearbeitet wird, sondern auf der Grundlage gesicherter Erkenntnisse.«
    Im Saal wurde Beifall geklatscht, und Rechtsanwältin Becker und Rechtsanwalt Schily standen auf, packten ihre Unterlagen zusammen und blieben vor der Verteidigerbank stehen.
    »Die Verhandlung wird fortgesetzt, auch wenn Sie abwesend sind«, wandte sich der Vorsitzende an die Anwälte.
    Ungerührt stand jetzt auch Rechtsanwalt von Plottnitz auf, schob seine Akten zusammen und stellte sich neben die Kollegen.
    »Ich verwahre mich gegen Ihre Vorhaltung, wir verletzten Verteidigerpflichten«, erklärte Dr. Heldmann, und während er zusammen mit den anderen Vertrauensanwälten den Gerichtssaal verließ, wandte er sich noch einmal an den Vorsitzenden: »Wir nehmen Verteidigerpflichten ernst, wo wir uns wehren, mit Angeklagten verhandeln zu lassen, die möglicherweise verhandlungsunfähig sind. Das ist unsere Verteidigerpflicht.« Der Senat möge ihn benachrichtigen, sobald ein ärztliches Gutachten vorliege.
    Der Vorsitzende war verwirrt: »Herr Rechtsanwalt Heldmann verläßt den Saal. Die Angeklagten stehen. Was soll das bedeuten?«
    »Daß Sie uns ausschließen sollen«, rief der Angeklagte Raspe.
    »Ganz richtig, ja, ja«, fügte Baader hinzu.
    »Sie sollen sich setzen!« rief der Vorsitzende.
    »Nein, wir werden nicht weiter an der Verhandlung teilnehmen. Lassen Sie uns ausschließen.«
    »Wenn Sie hier weiter stehen bleiben in dieser Form und nicht bereit sind …«
    »Ja, was wollen Sie denn?« unterbrach ihn Andreas Baader. »Daß wir hier rumbrüllen oder was? Lassen Sie doch diese albernen …«
    »Sie sollen sich setzen und an der Verhandlung in Ruhe teilnehmen.«
    »Wir werden an der Verhandlung nicht teilnehmen.«
    »Herr Baader, Sie haben das erklärt. Sie weigern sich, sich zu setzen.«
    »Wollen Sie erreichen, daß wir hier formal stören sollen, oder was soll das?« fragte Raspe.
    »Schließen Sie uns aus«, forderten Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof.
    »Ich muß Sie darauf hinweisen, daß das, was Sie jetzt machen, eine Störung der Hauptverhandlung ist. Wenn Sie das fortsetzen, müssen Sie ausgeschlossen werden.«
    »Ja, hoffentlich!« entgegnete Baader. »Ja, mach schon, alter Affe.«
    »Gilt das für alle Beteiligten?« fragte der Vorsitzende.
    »Ja«, antwortete Gudrun Ensslin.
    »Sie weigern sich also, hierzubleiben?«
    Im Saal entstand Unruhe. Eine Reihe von Zuhörern stand auf.
    »Das Publikum soll sich entweder setzen oder den Saal verlassen. Hier gibt es kein Stehen. Wenn Sie sich nicht setzen, werden die Leute aus dem Saal entfernt werden müssen.«
    Nach kurzer Besprechung mit seinen Richterkollegen stellte der Vorsitzende fest, die Angeklagten hätten gestört und würden nun von der Verhandlung ausgeschlossen. Ohne die Angeklagten und die Verteidiger ihres Vertrauens ging die Verhandlung weiter.
    »Da wir aber jetzt zur Phase der Vernehmung zur Person kommen, glauben wir, daß der Grundsatz des rechtlichen Gehörs ein so überragendes Interesse hat, daß wir dazu die Angeklagten wieder vorführen lassen, und zwar einzeln.« Der Vorsitzende forderte die Justizbeamten auf, zunächst den Angeklagten Raspe vorzuführen. »Notfalls mit Gewalt, das läßt sich nicht umgehen.«
    Als im Saal Protestrufe der Zuschauer laut wurden, sagte Prinzing: »Ich bitte die Herren von den Ordnungskräften, den Zuschauerraum genau im Auge zu behalten, damit wir die Störer kennen und die entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden können.«
    Sechzehn Minuten nach seinem Ausschluß wurde Jan-Carl Raspe von zwei Justizbeamten zurück in den Gerichtssaal geschleppt.
    »Bitte nehmen Sie Platz«, sagte der Vorsitzende.
    »Ich nehme nicht Platz.«
    »Dann darf ich Sie auf folgendes hinweisen. Wir

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