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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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nach Berlin
    1963 , knapp zwanzigjährig, kam Andreas Baader nach Westberlin. Ob die Motorraddiebstähle, die Unfälle mit gestohlenen Autos oder der ständige Ärger mit der Münchner Polizei der Grund dafür waren, die Stadt zu wechseln, oder die häufigen Prügeleien in der kleinen überschaubaren Szene der bayerischen Hauptstadt, ist nicht klar auszumachen. Jedenfalls entging er durch diesen Umzug auch der Einberufung zur Bundeswehr.
    Westberlin nach dem Mauerbau zog damals viele junge Westdeutsche an: Sie wollten raus aus Elternhäusern, Untermiete und engen Studentenbuden, wollten sich der Bundeswehr entziehen oder auch einfach nur in einer Stadt leben, die damals noch weit entfernt war von Gleichförmigkeit und Langeweile der wiederaufgebauten westdeutschen Städte. Westberlin hatte einiges zu bieten: eine vielfältige Kneipen- und Kunstszene, die es so wildwüchsig in anderen Städten nicht gab, und eine Menge leerstehender Großwohnungen: Viele wohlhabende Bürger hatten Berlin nach dem Bau der Mauer verlassen.
    So konnte man dort eine Wohnung finden, die andernorts unerschwinglich war. Das Berliner Nachtleben kannte keine Polizeistunde und war im Verhältnis zum Westen dank Steuererleichterungen damals unvorstellbar billig.
    Andreas Baader nahm teil an diesem Nachtleben. Zu Beginn seiner Berliner Zeit arbeitete er kurzfristig als Praktikant bei der »Bild-Zeitung«. Rausgeworfen worden sei er, so erzählte Baader, weil er betrunken, wie Tarzan an einem Kronleuchter schaukelnd, einem leitenden Redakteur mit den Füßen ins Gesicht getreten habe. Im »Kleist-Kasino«, einer traditionsreichen Schwulenbar, begegnete er dem Redakteur später wieder und verprügelte ihn.
    Im »Kleist-Kasino« lernte er 1964 auch Ellinor M. und Manfred H. kennen. Ellinor (»Ello«) malte naive Bilder, die sich gut verkauften. Sie war mit Manfred H. verheiratet, ebenfalls Maler, der sich gerade in der Kunstszene einen Namen machte. Das Ehepaar hatte ein Kind und lebte in einer weiträumigen Achtzimmerwohnung in Schöneberg.
    Manfred, Ellinor und der drei Jahre jüngere Baader waren bald unzertrennlich. Baader zog zu ihnen. Nach außen wirkte diese Gemeinschaft wie eine Ehe zu dritt, begleitet von Besäufnissen und Prügeleien, in der Berliner Boheme der frühen sechziger Jahre nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich in dieser Szene waren eher Andreas Baaders Kneipenauftritte in teuren Jacketts, die so gar nicht in diese Umgebung paßten. Es bereitete ihm offenbar Vergnügen, sein rüpelhaftes Auftreten mit eleganter Kleidung zu kombinieren. Er trug italienische Schuhe, seidene Hemden, und da es damals kaum enggeschnittenen Hosen gab, schneiderte er sie selbst. Unterhosen trug er nicht, weil, wie er meinte, »der Arsch und alles andere zur Geltung kommen muß«. Er schminkte sich, klebte sich auch mal falsche Wimpern an und benutzte oft und gern Parfum.
    1966 lernte ihn der junge Schriftsteller Peter O. Chotjewitz in der »lesbischen Abfüllstation« S-Bahnquelle am Savignyplatz kennen: »Er war voller Widersprüche. Intellektuell und spontan, sanft und zupackend, witzig und flink, ungeduldig und cool. Ziemlich sexy.« In seiner Lederjacke, in Jeans und T-Shirt, schlank und schmalhüftig sei er ihm immer wie »auf dem Sprung« vorgekommen: »Mal abweisender, mal zärtlicher Blick. Meistens neugierig, manchmal gelangweilt, zuweilen spöttisch.« Baader habe versucht, ihn anzumachen: »Es war klar, daß er es tat, weil ich ihm gefiel, und das gefiel mir. Ich war etwas mädchenhaft damals. Er hatte eine lange Frau dabei, die ein Kind von ihm hatte, und er hatte einen Typ dabei, und es war vermutlich diese bisexuelle Situation, die mich anmachte.«
    Den breitkrempigen Hut des verehrten Humphrey Bogart tief im Gesicht, zog Andreas über den Kurfürstendamm. In der gemeinsamen Wohnung wurde für einige Jahre eine Art künstlerisch-antibürgerlicher Salon etabliert. Zu einem sogenannten Jour fixe trafen sich am ersten Sonntag im Monat oft an die hundert Menschen, Künstler und Kunsthändler, Kritiker, Psychiater, Rechtsanwälte und Journalisten. Eine bunte Versammlung gesellschaftlich Arrivierter, die sich mit denen mischten, die Ello, Andreas und Manfred bei ihren Streifzügen durch die Berliner Nächte aufgelesen hatten, Transvestiten und Prostituierte, die ersten Drogenhändler aus dem Umfeld der U. S. Army, Schauspieler vom Living Theatre. Baader stellte sich gern als unmittelbarer Nachfahre des in literarischen Kreisen bekannten

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