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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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Philosophen Joseph von Baader dar, einem Erfinder und religiösen Denker, der Schelling beeinflußt hatte. Seine Mutter, erzählte er, sei Staatsanwältin. Von sich selbst zeichnete er das Bild eines Wunderknaben, der bereits im jugendlichen Alter von sechzehn Jahren von berühmten Philosophen zu Disputen herausgefordert worden sei. Je nach Milieu gab er sich aber auch als erfahrener Autoknacker oder souveräner Einbrecher. Besonders liebte er es, verklemmte Intellektuelle mit der Beschreibung unglaublicher sexueller Ausschweifungen zu schockieren; eigenen, ausgedachten und von anderen gehörten. Material lieferte ihm die »Neue deutsche Gerichtszeitung«, ein Sado-Maso-Blättchen, das unter dem Vorwand des gesunden deutschen Volksempfindens voller Begeisterung darüber berichtete, was alles an sexueller Abweichung vor Gericht verhandelt wurde.
    Die traditionelle Linke oder das, was sich zur gleichen Zeit in seiner nächsten Umgebung als Protestbewegung zu entwickeln begann, fand in diesen Jahren nie sein Interesse. Schwarze Messen zu beschreiben lag ihm näher, als rote Fahnen zu schwenken.
    1965 bekam seine Freundin Ello ein Kind. Andreas war der Vater. Zusammen mit dem Ehemann wartete er vor dem Krankenhaus stundenlang auf die Geburt. Fast zwei Jahre lang lebten die beiden Männer mit der Frau und zwei Kindern zusammen.
    Die aufkommende Protestbewegung ergriff auch die Künstlerszene. Plötzlich gerieten völlig unbekannte Leute in die Schlagzeilen und wurden über Nacht berühmt. Im Sommer 1967 verbrannte Baaders Freund Manfred öffentlich auf dem Kurfürstendamm seine Bilder. Die Aktion hieß: »Der Maler schmeißt den Pinsel weg und macht Kommune!« Ein Teil der Berliner Kunstszene vermischte sich mit der Protestbewegung.
    Baader war dabei, fiel aber nicht weiter auf bei den politischen Albereien der Kommunarden. Ein Weggefährte von damals, der Kunstmaler und Autor Peter Homann, beschrieb ihn als »eine Figur, mit der man sich gerne unterhielt, die man manchmal auch ziemlich bescheuert fand. Er war einer der vielen Spinner, die es in dieser Szene gab.«
    Andreas’ Mutter Anneliese sagte: »Auf jeden Fall war er ein Junge, der sich nie so leicht angepaßt hat, der immer gefragt hat, der immer nachdenklich war. Ich wußte immer, wenn er etwas tut, dann wird er es mit allen Konsequenzen tun. Ich hab immer auch ein bißchen Angst gehabt.«
     
    Ein von Mutter, Großtante und Tante verwöhntes Kind, das seine Aggressionen in der Schule auslebte, so wie später im linken Milieu Berlins. Der damalige Anwalt der Außerparlamentarischen Opposition Horst Mahler erinnerte sich: »Er sagte immer: Bringst du das? Du mußt das bringen. Für ihn war es keine Frage, er brachte es. So gesehen hatte er also … eine kriminelle Ader, ganz eindeutig.«
    Peter Homann war zu der Zeit viel mit Baader in Berlin unterwegs. Er erinnerte sich an die große Kneipenszene, in der sich »vieles, auch das Vorpolitische und das Halbpolitische«, abspielte: »Und da war Baader eigentlich immer dabei, als ein Typus, der sich für Politik überhaupt nicht interessierte, sondern eher zu Hause war, in psychischen Abenteuern, sexuellen Abenteuern, von denen er immer erzählte, aber von denen wir gar nicht wußten, ob er sie auf irgendeine Weise realisierte.«

10. Napalm und Pudding
    Die Luftwaffe der Vereinigten Staaten hatte 1963 mit Flächenbombardements der ländlichen Gebiete Südvietnams begonnen. Ab August 1964 flogen die amerikanischen B- 52 -Bomber auch die Städte Nordvietnams an. Im Frühjahr 1965 bombardierten sie die Deiche des Roten Flusses.
    Der Terror gegen die vietnamesische Zivilbevölkerung löste in den USA und vielen anderen Ländern der Welt Empörung und eine Welle von Protestmärschen aus.
    Am 5 . Februar 1965 zogen 2500 Studenten durch die Straßen Westberlins. 500 von ihnen verließen die von der Polizei genehmigte Demonstrationsroute und marschierten vor das Amerika-Haus. Sie setzten die US -Fahne auf halbmast, und jemand schleuderte fünf Frischeier auf das Gebäude.
    Die Öffentlichkeit, allen voran die Berliner Zeitungen des Axel-Springer-Verlages, war entsetzt. Der Regierende Bürgermeister Willy Brandt entschuldigte sich beim US -Stadtkommandanten.
    In der Nacht klebten Mitglieder des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes ( SDS ) Plakate: »Erhard und die Bonner Parteien unterstützen Mord. Mord durch Napalmbomben. Mord durch Giftgas. Wie lange noch lassen wir zu, daß in unserem Namen gemordet wird?« Der

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