Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Krieg der Amerikaner in Vietnam wurde mehr und mehr zum beherrschenden Thema der rebellierenden Studenten. Er lieferte Bilder von bis dahin unvorstellbarem Grauen – im Namen der freien Welt.
Damals immer dabei: der Anwalt Horst Mahler. Früher sozialistisch, später rechtsradikal. »Wir waren ja alle sehr moralisch. Das hat uns also nicht kalt gelassen. Ich erinnere mich noch an die Szene mit Ulrike Meinhof, wie sie dann bei einer Fernsehberichterstattung über Vietnam mit diesen grausigen Bildern heulend aufsprang und sagte, daß sie sich das nicht antun läßt, das ist eine Herabwürdigung, und sie hat gesagt, wir müssen was tun, wir dürfen nicht im Sessel sitzen bleiben.«
Krieg in Vietnam. Die mächtigste Kriegsmaschinerie der Welt im Kampf gegen eine Guerilla-Armee. Bomben, Napalm, Entlaubung des Dschungels. Bilder, die um die Welt gingen, sich schmerzhaft einprägten, Konsequenzen forderten. Vietnam als Prüfstein für die Moral des freien Westens. Für viele damals: der Sündenfall. Plötzlich gab es für manche wieder »gerechte Kriege«.
Die Journalistin Ulrike Meinhof äußerte sich dazu in einer Fernsehdiskussion: »Wir sind engagiert für diejenigen, die sich versuchen zu befreien von Terror und Gewalt. Und wenn ein anderes Mittel als das des Krieges ihnen nicht übrigbleibt, dann sind wir für ihren Krieg. Und sind gegen diejenigen, die ihren Terror eskalieren bis hin zur Anwendung von Nuklearwaffen, was gegenwärtig ja in bezug auf Vietnam diskutiert wird.«
Aus Empörung wurde Protest, aus Protest Widerstand, aus Widerstand Gewalt. Und von Anfang an wurden Parallelen gezogen zum Dritten Reich. So sagte Ulrike Meinhof: »In dem Augenblick, wo es ihnen mit der Solidarität mit dem vietnamesischen Volk ernst wird, wo es ihnen darum geht, die amerikanische Position überall in der Welt, wo es nur möglich ist, so zu schwächen, daß das vietnamesische Volk davon einen Vorteil hat, dann weiß ich, dann sehe ich wirklich nicht mehr den Unterschied zwischen dem Polizeiterror, den wir in Berlin schon erlebt haben und der uns angedroht wird, und dem SA -Terror der dreißiger Jahre.«
In der Wahrnehmung der rebellierenden Studenten und ihrer Fürsprecher wandelte sich die Bundesrepublik zum Polizeistaat. Und genüßlich kitzelten etwa die Provokateure von der »Kommune I « den Feind im Polizisten hervor. Es war eine politische Happening-Kultur, die viele Menschen anzog. Und es wurde ein Spiel mit der Gewalt.
Im April 1967 kündigte sich der amerikanische Vizepräsident Hubert Humphrey zu einem Besuch in Berlin an. Der Allgemeine Studentenausschuß ( ASTA ) der Freien Universität rief zur Protestdemonstration auf. Andere bereiteten sich auf ihre Weise auf den Empfang des Vizepräsidenten vor.
Anfang 1967 hatten in Berlin Studenten eine Wohngemeinschaft gegründet, die sich »Kommune I « nannte. Es ging um den »Versuch der Revolutionierung des bürgerlichen Individuums«. In der Kommune sollten sich »sexuelle Bedürfnisse ungehemmter entfalten, die Vereinzelung aufgehoben und der Kampf um die Befreiung von Zwängen der kapitalistischen Gesellschaft wirkungsvoller geführt« werden.
Dieter Kunzelmann, Initiator der »K 1 « und sechzehn Jahre später für die »Alternative Liste« im Berliner Abgeordnetenhaus, hatte damals aufgerufen: »Ihr müßt euch entwurzeln! Weg mit euren Stipendien! Weg mit eurer Sicherheit! Gebt das Studium auf! Riskiert eure Persönlichkeit!«
Am Tisch der Kommuneküche wurde Pudding angerührt, mit dem Hubert Humphrey beworfen werden sollte. Im Grunewald probierte die Gruppe das Puddingattentat an einigen Baumriesen aus. Doch die Aktion flog schon vor der Durchführung auf. Die Berliner Zeitungen, und nicht nur sie, überschlugen sich vor Empörung, und aus dem Puddingattentat wurde plötzlich ein Sprengstoffanschlag.
»Bild« in einer Schlagzeile, die über die halbe Seite lief: »Geplant: Berlin – Bombenanschlag auf US -Vizepräsidenten«.
Auf der Basis dieser überdimensionalen Falschmeldung kommentierte »Bild« im Innenteil des Blattes: »Mit diesen Bombenlegern werden wir fertig! Die Mehrheit der Deutschen hat Verständnis für den Kampf der Amerikaner in Asien …«
Die »Verschwörer« wurden in Haft genommen, kurzzeitig, denn bald ließ sich nicht mehr leugnen, daß der Sprengstoff nichts als Pudding und Quark gewesen war.
In »konkret« kommentierte Ulrike Meinhof das geplante Polit-Happening:
»Nicht Napalmbomben auf Frauen, Kinder und Greise
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