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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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öffneten die Klappen an den Zellentüren und forderten die Häftlinge auf, ihnen die am Morgen verteilten Neonröhren und Glühbirnen auszuhändigen. Meistens gaben die Gefangenen die Leuchtkörper wortlos heraus. In die Zellen konnten die Beamten dabei nicht sehen, weil die Häftlinge an den Innenseiten der Türen Landkarten oder Vorhänge befestigt hatten.
     
    Meldung Stammheim vom 16 . Dezember 1975 :
    »Umschluß 10  Minuten überzogen. Baader beleidigt Kollegen: ›Ratte, habt bloß Scheiße im Kopf.‹ Sonst keine Vorkommnisse.«
     
    Meldung vom 28 . Dezember 1975 :
    »Viererumschluß statt Hofgang. 15  Minuten überzogen. Nach Beendigung des Umschlusses betitelte uns Baader als Weihnachtsmänner. Wörtlich sagte Baader zur Meinhof: ›Wenn die Weihnachtsmänner vor mir stehen, kann ich nicht denken.‹ Sonst keine Vorkommnisse.«
     
    Der Umschluß auf dem Flur wurde von Justizbeamten überwacht. Diese beklagten sich von Zeit zu Zeit bei ihren Vorgesetzten. So schrieb Amtsinspektor Götz am 9 . Februar 1976 an den Vorstand der Vollzugsanstalt:
    »Die zur Zeit praktizierte optische Überwachungsmöglichkeit beim Umschluß der Baader-Meinhof-Gefangenen ist unmöglich und widerspricht in gröbster Weise der Sicherheit und Ordnung.
    Die vier Gefangenen Baader, Meinhof, Ensslin und Raspe sitzen bzw. liegen auf Teppichen im kleinen abgeteilten Flur des kurzen Flügels der ›Abteilung  3 ‹ im hinteren rechten Eck auf dem Boden.
    Davor steht ein Tisch mit vier Stühlen, der mit an den Wänden aufgestellten Bücherregalen abschließt. Hinzu kommt, daß die Deckenleuchte darüber mit Packpapier abgedunkelt ist.
    Aus der hier kurz geschilderten Sachlage ist es unmöglich, den Umschluß optimal zu überwachen. Um dies korrekt durchführen zu können, muß der oder die Überwachenden bis an den aufgestellten Tisch gehen, um die vier Gefangenen zu sehen. Bei dieser Gelegenheit werden dann von seiten der Gefangenen Beschimpfungen übelster Art ausgesprochen …«
     
    In einer Stellungnahme zum Antrag der Verteidigung im Stammheimer Prozeß, den Umschluß bis 22 . 00 Uhr auszudehnen, schrieb Regierungsdirektor Schreitmüller:
    »Es ist einmalig im Vollzug der Untersuchungs- bzw. Strafhaft in der Bundesrepublik, daß täglich weibliche und männliche Gefangene mehrere Stunden zusammen in einem Raum verbringen. Nicht von ungefähr müssen … weibliche Gefangene von männlichen Gefangenen streng getrennt gehalten werden. Grund dieser Regelungen ist, sexuelle Kontakte zwischen weiblichen und männlichen Gefangenen zu unterbinden.
    Bei den obigen Gefangenen muß während der Zeit des Umschlusses die Gefahr eines solchen Kontaktes zwischen ihnen durch optische Überwachung ausgeschaltet werden. Da der Raum, in welchem die Gefangenen sich während des Umschlusses aufhalten, von ihnen noch künstlich verdunkelt wurde – angeblich ist das Licht für ihre durch den Hungerstreik geschwächten Augen nicht erträglich, weshalb die Neonröhren z.T. mit Papierstreifen abgedeckt wurden –, ist eine optische Überwachung für die Beamten sehr anstrengend …«
     
    Am 13 . Januar 1976 verlasen die Angeklagten im Prozeß lange politische Erklärungen, in denen sie sich dazu bekannten, Mitglieder einer Stadtguerillagruppe zu sein. Sie übernahmen die »politische Verantwortung« für die ihnen zur Last gelegten Sprengstoffanschläge, wollten sich aber zum strafrechtlichen Teil nicht äußern.
     
    Danach erst begann der eigentliche Prozeß:
    Ende Januar trat der Metallbildner Dierk Hoff, aus dessen Werkstatt die RAF -Bomben stammten, als Zeuge auf und belastete die Angeklagten. Im Februar wurden die Bekennerbriefe zu den verschiedenen Anschlägen verlesen. Dann begann die Beweisaufnahme zu dem Anschlag auf die Heidelberger Kaserne der US -Armee.
    Anfang März sagten Zeugen zum Bombenattentat auf die Augsburger Polizeidirektion aus, anschließend ging es um den Anschlag auf das Bayerische Landeskriminalamt in München.
    Während dieser Prozeßphase waren die Angeklagten nur selten im Gerichtssaal.

16. »Eine Verteidigung in der Agonie«
    ( 85 . Tag, 9 . März 1976 )
    Die Bank der Verteidiger war nur dürftig besetzt. Die meisten Vertrauensanwälte hatten Vertreter geschickt, nur die »Zwangsverteidiger« waren nahezu vollzählig erschienen.
    Ulrike Meinhof meldete sich zu Wort. Während Andreas Baader den Sitzungssaal verließ, stellte sie einen Ablehnungsantrag gegen den Vorsitzenden: »Seit zwei Monaten ist es

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