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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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Im normalen Vollzug würden das andere Bedienstete machen.«
    Als besonders belastend empfand Bubeck die intellektuelle Überlegenheit der RAF -Gefangenen: »Sie waren uns natürlich in allen Bereichen geistig weit, weit überlegen. Wobei ich sagen muß, bewußt haben sie das nicht ausgespielt oder uns irgendwie merken lassen. Aber der einzelne hat es eben doch gespürt.«

15. Ulrike Meinhof über die Möglichkeit und Unmöglichkeit des Aussteigens
    ( 41 . Tag, 28 . Oktober 1975 )
    Zu Beginn des 41 . Verhandlungstages erläuterte der Vorsitzende, wie er sich nun, nachdem die Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten feststehe, den weiteren Ablauf des Prozesses vorstelle: »Den Angeklagten steht es frei, an der Verhandlung teilzunehmen, solange sie sich dazu imstande fühlen.« Die Verteidiger stellten einen neuen Befangenheitsantrag.
    »In diesem Zusammenhang muß von einer Kriegserklärung der abgelehnten Richter den Gefangenen gegenüber gesprochen werden«, führte von Plottnitz aus. »Jedoch gäbe es für den Fall des Krieges immerhin die Genfer Konvention, deren Vorschriften die Gefangenen vor dem zu schützen hätten, was dem Beschluß der abgelehnten Richter zufolge rechtens sein soll: die vorsätzliche Zerstörung ihrer Gesundheit. Die von dem Gutachter genannte Gefahr, daß sich der gesundheitliche Zustand der Gefangenen bei Fortdauer ihrer Isolation verschlechtern werde, kümmert die Richter nicht, haben sie doch ihre eigene Verantwortung für die Zerstörung der Gesundheit der Gefangenen längst auf die Gefangenen selbst abgewälzt.«
    Der Vorsitzende entgegnete, daß der Bundesgerichtshof alle Beschwerden gegen die Haftbedingungen zurückgewiesen habe. Auch die weitgehende Isolierung – allein oder in kleinen Gruppen – habe das höchste Gericht für zulässig erklärt mit der Begründung, die Gefangenen seien gefährlich, schon allein deswegen, weil sich jeder von ihnen rückhaltlos zu den Zielen bekenne.
    »Das ist Gesinnungsjustiz«, meinte Ulrike Meinhof. »Es ist absurd zu behaupten, wir würden die Ordnung in der Haftanstalt stören. Wie, wann, wo? Wie sollten wir jemals die Ordnung in der Haftanstalt gestört haben, wo wir nie, exakt noch nie, in dreieinhalb Jahren mit anderen Gefangenen im Gefängnis gesprochen haben?«
    Und dann wies Ulrike Meinhof auf ein Dilemma hin, das auch viele Beobachter von außen erkannt hatten. Niemand aber hatte erwartet, daß ein Gefangener aus dem »harten Kern« der Baader-Meinhof-Gruppe darüber sprechen würde.
    »Wie kann ein isolierter Gefangener den Justizbehörden zu erkennen geben – angenommen, daß er es wollte –, daß er sein Verhalten geändert hat? Wie? Wie kann er das in einer Situation, in der bereits jede, absolut jede Lebensäußerung unterbunden ist? Dem Gefangenen in der Isolation bleibt, um zu signalisieren, daß sich sein Verhalten geändert hat, überhaupt nur eine Möglichkeit, und das ist der Verrat. Eine andere Möglichkeit, sein Verhalten zu ändern, hat der isolierte Gefangene nicht. Das heißt, es gibt in der Isolation exakt zwei Möglichkeiten: Entweder …«
    Der Vorsitzende unterbrach sie: »Frau Meinhof, es ist kein Zusammenhang mehr zum Ablehnungsantrag zu sehen.«
    Ulrike Meinhof fuhr fort: »Entweder Sie bringen einen Gefangenen zum Schweigen …«
    Wieder unterbrach sie der Richter.
    »… das heißt, man stirbt daran, oder Sie bringen einen zum Reden. Und das ist das Geständnis und der Verrat. Das ist Folter, exakt Folter, durch Isolation, definiert an diesem Zweck, Geständnisse zu erpressen, den Gefangenen einzuschüchtern, um ihn zu bestrafen und um ihn zu verwirren.«
    Prinzing entzog Ulrike Meinhof das Wort.
    Offenbar hatte der Vorsitzende nicht bemerkt, wie weit sich Ulrike Meinhof damit von der Gruppe entfernt hatte. In der »Rote Armee Fraktion« waren Zweifel gleichbedeutend mit Verrat. Schon die Überlegung, auszusteigen, war soviel wie der Ausstieg selbst.
    Am nächsten Tag wurde Rechtsanwalt von Plottnitz als Verteidiger von Jan-Carl Raspe entpflichtet. Um seinen Mandanten nicht gänzlich ohne Vertrauensverteidiger zu lassen, verteidigte von Plottnitz seinen Mandanten zunächst auf eigene Kosten weiter.
     
    Am 9 . November 1975 erhielten die Gefangenen die Erlaubnis, die Zellenbeleuchtung bis 23 . 00 Uhr anzulassen. Für Silvester erhielten sie »Lichtverlängerung« bis 0 . 30 Uhr.
    Im Normalfall wurde die Hochsicherheitsabteilung in der Nacht nur einmal um 23 . 00 Uhr betreten. Die Vollzugsbeamten

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