Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
sollte, fragte der Ausschußvorsitzende Rudolf Schieler den Justizbeamten Bubeck, wie das Verhältnis der Beamten zu den Gefangenen gewesen sei.
Insgesamt, so meinte Bubeck, sei das Verhältnis gar nicht so schlecht gewesen. Die Beamten hätten es nur immer auszubaden gehabt, wenn draußen »etwas passiert« sei.
Schieler fragte, was er damit meine.
»Also, wenn jetzt irgendwelche anonymen Briefschreiber Stricke oder sonstige Dinge geschickt haben, den Gefangenen, mit der Aufforderung, sie sollten sich aufhängen, und die wurden durch die Zensur durchgelassen«, antwortete Bubeck.
Irritiert erkundigte sich Dr. Schieler: »Was, die Stricke oder die Briefe?«
»Die Stricke
und
die Briefe«, antwortete Bubeck.
Auf den Gesichtern der Ausschußmitglieder breitete sich ungläubiges Staunen aus. »Auch die Stricke?« fragte einer der Politiker in die Stille hinein.
»Auch die Stricke«, bestätigte Bubeck.
»Die Stricke?« fragte der Vorsitzende noch einmal nach.
»Die Stricke, ja«, bestätigte Bubeck.
Die Ausschußmitglieder blickten einander entsetzt an. »Das kann ja wohl nicht wahr sein«, entfuhr es einem der Abgeordneten.
»Doch, das ist wahr«, sagte der Vollzugsbeamte Bubeck. Er schien kaum zu begreifen, was den Ausschußmitgliedern an seinen Erzählungen so sensationell erschien. »Das ging alles an uns runter … Der Meinhof-Tod wurde uns angelastet. Und so waren schon einige Dinge, die auf die Beamten losgingen.«
»Sagenhaft«, meinte ein Ausschußmitglied.
Der Vorsitzende Schieler suchte nach Worten: »Herr Bubeck, Sie bereiten uns ja … Also, erst will ich sagen: Wir beneiden Sie nicht um das Geschäft, das Sie da zu übernehmen hatten, mit Ihren Kollegen. Auch das Geschäft eines Abgeordneten ist nicht immer leicht …«
Schielers Kollegen lachten.
Ein Abgeordneter der CDU warf ein: »Das ziehen wir da noch vor!«
Als das Gelächter verebbte, ergriff der Vorsitzende wieder das Wort: »Aber Sie bereiten uns jetzt eine ziemlich handfeste Überraschung, nämlich mit der Erklärung, daß durch die Brief- oder Postzensur solche Gegenstände wie Stricke mit der beigefügten schriftlichen Aufforderung, man möge sich damit aufhängen, daß das durchgegangen ist.« Wieder kam Lachen im Saal auf.
»Das ist durchgegangen«, bestätigte Bubeck.
Der Vorsitzende fragte nach: »Wer ist in der Anstalt für die Briefzensur und für diesen Kram zuständig?«
»Das war nicht die Anstalt, das war der Senat.«
Die Abgeordneten wurden immer fassungsloser. Daß die Anstaltsleitung so etwas durchgehen lassen könnte, kleine Beamte vielleicht, das konnten sie mit Mühe nachvollziehen, daß aber der Gerichtsvorsitzende einen Strick passieren ließ, überforderte ihre Vorstellungskraft.
»Das war der Senat«, stellte der Vorsitzende Schieler fest.
»Hat der auch die Stricke gesehen?« fragte einer der Abgeordneten.
»Ja«, sagte Bubeck.
»Der hat auch die Stricke gesehen und sie durchgelassen?« wiederholte ein anderer ungläubig.
»Ja.«
»Was waren denn das für Stricke?« erkundigte sich der Vorsitzende.
Der Vollzugsbeamte hob die Arme, deutete eine Länge von etwa achtzig Zentimetern an. »Das war ein Hanfstrick … so …«
»So in der normalen Aufhängestärke«, sagte Schieler.
»Etwas schwächer«, korrigierte Bubeck, »so ein normaler Kälberstrick, aber …«
Schieler vervollständigte den Satz: »… hätte gereicht …«
»Hätte gereicht«, bestätigte der Gefängnisbeamte, »wobei ich aber jetzt hier trotzdem sagen muß, solche Gegenstände gab’s natürlich trotzdem noch mehrere in der Anstalt, ohne daß sie zugeschickt wurden …«
Mehrere Abgeordnete sagten gleichzeitig, auf schwäbisch, wie sich die gesamte Befragung abspielte: »Das ischt was anderes …«
»Wer war denn der Adressat?« fragte ein Abgeordneter.
Bevor Bubeck antworten konnte, sagte der Vorsitzende: »Nun muß ich aber noch mal dumm fragen: Wenn ein Brief durch die Briefzensur des Gerichts geht, können Sie dann nicht etwaige Gegenstände, die wiederum der Sicherheit der Anstalt widersprechen, die diesem Brief beigelegt sind, entnehmen, oder müssen Sie sie nicht entnehmen?«
Ein Ausschußmitglied rief: »Wie wär’s bei einer Waffe?«
Bubeck drehte sich um: »Wenn es hier grad die Bemerkung mit der Waffe war, bei der Waffe ist das natürlich selbstverständlich, aber bei dem Strick hatten wir keinen …«
Ein Abgeordneter meinte: »Vielleicht kamen auch die Pistolen mit der Post?«
Im Saal wurde
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