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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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Tee kommen.
     
    Susanne Albrecht hatte eigentlich nicht mitmachen wollen. »Sie hat geheult«, erinnerte sich später Peter-Jürgen Boock, »aber sie war in einer Art und Weise dazu gebracht worden, dann doch mitzumachen, die fast an Gehirnwäsche erinnert.« Fast zwei Tage lang war sie von der Gruppe beharkt worden, bis sie endlich ja sagte. Dann hatte sie ihre verschiedenen Besuche unternommen und dabei versucht herauszubekommen, wie die Sicherheitsvorkehrungen im Hause Ponto waren. Nach ihrem letzten Besuch teilte sie der Gruppe mit, daß Ponto die Absicht habe, nach Südamerika zu fahren. Damit stand fest, daß die Aktion sofort laufen mußte.
    Später soll Susanne Albrecht heftig zurückgewiesen haben, Opfer einer »Gehirnwäsche« gewesen zu sein. Jeder, der zur RAF gegangen sei, habe sich dafür entschieden. Es habe keine Erpressung gegeben. Sie habe unter dem Druck gestanden, etwas für die Gefangenen zu tun. Es sei klar gewesen, daß es einen neuen Versuch geben müsse, die Gefangenen zu befreien.
     
    Die Eheleute Ponto saßen am späten Nachmittag des 30 . Juli 1977 auf der Terrasse ihres Hauses, als es klingelte. Am Gartentor stand Susanne Albrecht, zusammen mit zwei adrett gekleideten Begleitern, einer Frau und einem Mann.
    Pontos Chauffeur fragte durch die Sprechanlage: »Wer ist da?«
    »Hier ist Susanne.«
    Ponto telefonierte gerade, er gab den Hörer an seine Frau weiter und sagte dem Chauffeur: »Susanne soll sich in die Halle setzen.«
    Der Chauffeur drückte den Summer und wandte sich an Frau Ponto: »Sie ist mit noch zwei jungen Leuten gekommen.«
    »Wie sehen die denn aus?« fragte Frau Ponto.
    »Sehr manierlich.«
    Susanne Albrecht hatte zum Besuch einen braunen Rock, eine geblümte Bluse und eine hellbraune Jacke angezogen, auch ihre Begleiter hatten sich in Schale geworfen. Es waren die RAF -Mitglieder Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt. Klar trug einen Feincordanzug und ein weißes Hemd mit Krawatte. Seine Haare waren kurz geschnitten. Brigitte Mohnhaupt hatte einen gelbbeigen Hosenrock und eine gleichfarbene Jacke an, dazu ein Kopftuch. Alle drei hatten Pistolen dabei.
    Ponto ging in sein Arbeitszimmer und gab ihnen die Hand.
    »Das ist ja ein großes Komitee«, begrüßte der Bankier die Gäste, führte sie arglos über die Terrasse ins Haus, nahm erfreut den Heckenrosenstrauß entgegen, den Susanne Albrecht mitgebracht hatte, suchte eine Vase. Dann ging alles ganz schnell.
    »Mitkommen, das ist eine Entführung«, schrie Klar und richtete seine Pistole auf den Bankier. Der ging mit erhobenen Armen einen Schritt auf Brigitte Mohnhaupt zu, fragte fassungslos: »Sind Sie wahnsinnig geworden?« Klar feuerte aus nächster Nähe einmal auf den Hausherrn, Brigitte Mohnhaupt drückte fünfmal ab.
    Zwei Schüsse trafen den Körper des Bankiers, drei Kugeln zerschmetterten seinen Kopf. Vor den Augen seiner Frau stürzte Ponto vornüber auf den Wohnzimmerboden. Er starb kurz darauf im Krankenhaus.
    Susanne Albrecht, die nicht geschossen hatte und später behauptete, sie habe ihre Waffe sogar zuvor heimlich entladen, rannte mit ihren Begleitern zu dem wartenden, von Peter-Jürgen Boock gesteuerten Fluchtauto.
    Um 18 . 30 Uhr starb Jürgen Ponto in der Neurochirurgischen Klinik in Frankfurt am Main.
     
    Susanne Albrecht war vollkommen aufgelöst. »Nein, das habe ich nicht gewollt«, schluchzte sie, »wie soll ich das je meinen Eltern erklären?« Boock, der im Fluchtwagen draußen gewartet hatte und nicht mit im Haus gewesen war, versuchte sie zu beruhigen. Er legte seinen Arm eng um ihre Schultern und redete beruhigend auf sie ein. Doch weder ihr Tränenfluß noch ihre Selbstanklagen waren zu stoppen. Ponto, so stammelte sie, habe die ganze Sache anfangs nicht ernst genommen: »›Was wollt ihr denn, ihr habt sie wohl nicht alle, die Waffen weg, ihr spinnt ja wohl …‹ Dann die Rangelei mit Brigitte, und dann kommt der Klar, dieses Arschloch, mit der Waffe und schießt, und dabei war doch fest verabredet worden, keine Waffen und nur einen auf die Nuß, wenn er sich wehrt …« Ihre Worte wurden von Tränen erstickt.
    Hinterher gab es in der Gruppe heftige Kritik an Christian Klar. Der verteidigte sich nicht, sondern klagte sich selbst an, und zwar so vehement, daß Boock meinte: »Hör mal, so ganz haut das ja nicht hin. Du bist nicht am ganzen Elend der Welt schuld.«
    In der folgenden Zeit mußte die Gruppe rund um die Uhr auf Susanne Albrecht aufpassen, die in immer tiefere Verzweiflung

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