Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Raspe die Kommunikationsanlage perfektioniert. Er hatte Lautsprecher zu Mikrophonen umgelötet und die anstaltseigenen Kabelverbindungen zwischen den fest installierten Lautsprechern des Anstaltsrundfunks umfunktioniert. Die Verstärker der Plattenspieler lieferten die Energie für eine sehr gute Kommunikation von Zelle zu Zelle. Angeblich merkte das Anstaltspersonal nichts davon.
Der Druck auf die Gruppe draußen wuchs. Ein paar Wochen vor dem Start der »Big Raushole« schickten die Gefangenen einen Kassiber, in dem es hieß, sie überlegten sich, ob sich die Gruppe noch RAF nennen dürfe. Sie würden ihnen das absprechen, wenn nicht bald etwas passiere. In der Zwickmühle, von den RAF -Gründern verstoßen zu werden oder gar für deren Selbstmord verantwortlich zu sein, entschied sich die Gruppe für rasches Handeln.
48. »Kein Kapitalist ohne Terrorist im Verwandtenkreis«
Am 1 . September 1977 berichtete BKA -Präsident Herold vor dem Innenausschuß des Bundestages über die Ermittlungsergebnisse zum Mordfall Ponto und das gescheiterte Attentat auf die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe.
Schon bei der Festnahme des untergetauchten Rechtsanwalts Siegfried Haag am 30 . November des Vorjahres, so sagte Herold, habe es Hinweise auf neue Anschläge gegeben: »Damit war zum ersten Mal das Herannahen eines Kapitalverbrechens von großem Ausmaße signalisiert. Dieser Eindruck verfestigte sich auch auf Grund der bei Haag vorgefundenen detaillierten Papiere, die Ablaufpläne für eine Ermordung erkennen ließen. Es wurde von uns angenommen, daß es sich um die seit langem befürchtete Hinrichtung handeln würde. Aber zugleich ergab sich auch der Hinweis auf eine andere nachfolgende Aktion, die sich ›big money‹ nannte. Die Bedeutungen reichten vom Banküberfall bis zu einer Entführung. Ein Papier ergab dagegen einen Hinweis, wonach eine Entführung nicht auszuschließen war: ›H. M. auschecken‹, ›big money‹ diskutieren; wo den Typ ›bunkern‹?
Wenn man alles rastert und fragt: Wer heißt H. M. oder M. H., wer hat solche Initialen – ›Who ist Who?‹ haben wir gründlich durchgewälzt –, und wenn man fragt: wer von diesen Leuten kann mit ›big money‹ zu tun haben, dann kam man auf eine bestimmte Person, deren Namen ich hier jetzt nicht nennen will.«
Eine Woche zuvor hatte der neue Generalbundesanwalt Rebmann in einer Sitzung des Rechtsausschusses den Namen mit den Initialen H. M. genannt: Hanns Martin Schleyer, Präsident des Arbeitgeberverbandes.
Einer der Abgeordneten fragte Herold, in welchem Zusammenhang der Name Susanne Albrecht zum ersten Mal aufgetaucht sei: »Trifft es zu, daß im Juni 1977 die Frau Albrecht vom Staatsschutz als untergetaucht gemeldet wurde? War den zuständigen Stellen eigentlich die Verbindung der Frau Albrecht mit der Familie Ponto bekannt? Hat man aus dieser Bekanntschaft die mögliche Folgerung gezogen, die Familie Ponto von dem Leben der Susanne Albrecht zu unterrichten?«
Dr. Herold antwortete: »Es ist ja nicht so, daß Susanne Albrecht eine von wenigen verdächtigen oder gefährlichen Personen in der Bundesrepublik wäre, sondern wir haben es mit einem Massenproblem zu tun. Ich habe hier schon vorgetragen, daß die Zahl der hochgefährlichen Leute, die gewissermaßen unserer Computerfahndung dauernd unterliegen, bei 1200 liegt. Susanne Albrecht gehörte zu den 1200 .« Um diesen Personenkreis herum, der jederzeit aktiv und gefährlich werden könne und es in den letzten Jahren auch geworden sei, so erklärte Herold, gebe es noch ein Umfeld von etwa 6000 Sympathisanten.
»Es handelt sich also nicht um ein Problem einzelner Personen, sondern leider um ein Massenproblem. 1200 Personen von größter Gefahr kann niemand in der Bundesrepublik observieren, und niemand kann durch vorbeugende Maßnahmen die Gefahr ausschalten. Jedermann weiß, daß die vollständige Abdeckung durch Observation pro Person rund zwanzig Beamte notwendig macht. 1200 mal zwanzig – so viel Personal hat die ganze deutsche Kriminalpolizei nicht. Das zeigt die besondere und herausragende Bedeutung einer permanenten, routinehaften, schleppnetzartigen Beobachtung dieses Personenkreises in Form einer computerisierten Beobachtung.«
Susanne Albrecht sei in den geheimen Lagemeldungen des BKA in den vergangenen Jahren 45 mal erwähnt worden. Die Kollegen vom Hamburger Verfassungsschutz hätten Ende Juni mitgeteilt, Susanne Albrecht sei untergetaucht. Daß die Familie Albrecht
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