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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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diesem Tag in die Besucherzelle geführt. Auf die Frage, ob sie ein Flugziel nennen könnte, antwortete sie: »Ja – nach einer gemeinsamen Besprechung aller Gefangenen, deren Auslieferung beziehungsweise Austausch das Kommando fordert.«
    Die übrigen Gefangenen im siebten Stock suchte Klaus in ihren Zellen auf. Er wunderte sich über das große Durcheinander bei Verena Becker, Irmgard Möller und Jan-Carl Raspe. Zahlreiche Bücher lagen herum, die Gefangenen schliefen offenbar auf am Boden liegenden Matratzen. Auch Raspe machte die Beantwortung der Frage nach dem Flugziel von einem gemeinsamen Gespräch der Gefangenen abhängig, ebenso Irmgard Möller. Verena Becker schrieb unter die Frage »Sind Sie bereit, sich ausfliegen zu lassen?«: »Ja«, und unter die Frage »Können Sie dieses Flugziel nennen?«: »Nein«.
     
    Nachdem Klaus auch den übrigen Gefangenen die Fragebögen vorgelegt hatte, ließ Baader den BKA -Beamten noch einmal zu sich bitten und ergänzte die möglichen Aufnahmeländer durch Libyen, die Volksrepublik Jemen, Irak.
     
    An diesem Vormittag trafen beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Beschwerden mehrerer Anwälte gegen die Kontaktsperre ihrer Mandanten ein.
     
    Etwa zur gleichen Zeit riefen die Entführer im Büro des Genfer Anwalts an: »Wir bitten Monsieur Payot, die Rolle, die die Bundesregierung ihm zugedacht hat und deren Funktion einzig und allein zeitliche Verzögerungen und Hinausschieben einer Entscheidung ist, um Handlungsspielraum für die militärische Lösung zu gewinnen, abzulehnen.«
    Das Taktieren in sogenannten Geheimverhandlungen sei absurd, wenn man das Ziel der Aktion, die Freilassung der Gefangenen, bedenke. »Es hat von seiten der Bundesregierung in diesen neun Tagen keinen einzigen konkreten Schritt gegeben, der die Bereitschaft signalisiert hätte, Schleyer tatsächlich auszutauschen. Die Ankündigung des BKA , die Fahndung würde gestoppt, war ein Witz. In jeder Zeitung sind Fotos von Autobahnkontrollen und Meldungen über gestürmte Wohnungen«, sagte der Anrufer. »Wir geben der Bundesregierung eine letzte Frist bis heute abend, 24 . 00 Uhr, unsere Forderungen zu erfüllen.«
    Daraufhin kündigte das Bundeskriminalamt an, es werde Payot die von den Häftlingen ausgefüllten Fragebögen durch Kurier überbringen lassen. Der Kleine Krisenstab beschloß, als ein »für die Entführer positives Zeichen«, Sondierungsgespräche mit den Regierungen der von Andreas Baader genannten Zielländer Algerien und Libyen einzuleiten. Auch das solle Payot den Entführern mitteilen.
     
    Der Auslöser »Vollkontrolle« für die Durchsuchung der möglichen Schleyer-Verstecke, darunter das in Erftstadt, kam nicht. Statt dessen wurde am 13 . September um 18 . 32 Uhr die Ziffer  1 des Einsatzbefehls dahingehend abgeändert, daß »Durchsuchungen von Objekten nur bei Vorliegen einer Durchsuchungsanordnung im Sinne von §  105 Abs.  I STPO erfolgen dürfen«.
    Durchsuchungsbeschlüsse aber trafen weder in Erftstadt noch bei der aufsichtsführenden Dienststelle beim Oberkreisdirektor in Bergheim ein. Es hatte auch niemand einen Durchsuchungsbeschluß beantragt.
    Als der Skandal Monate nach dem Tode Schleyers aufflog, schrieb der für Durchsuchungsbeschlüsse dort zuständige Richter Dr. Kurt Conzen an die Polizeistation Erftstadt-Lechenich: »Bei dieser Sachlage (z.B. junge Frau als Mieterin, Kaution in bar bezahlt, ebenso später Bareinzahlungen der Miete bei verschiedenen Banken, Mieterin angeblich Modellschneiderin, trotzdem ständig die Vorhänge zugezogen) frage ich mich, warum nicht bei hiesigem Gericht ein Durchsuchungsbeschluß beantragt worden ist … War Ihnen etwa durch Verfügung des LKA oder BKA untersagt, einen solchen Durchsuchungsbeschluß hier zu beantragen …?«
     
    Am 13 . September sandte die Polizei Bergheim ein weiteres Fernschreiben unter der Nummer 1091 an den Koordinierungsstab und listete vierzehn weitere verdächtige Objekte auf. Auch dieses Fernschreiben wurde an die Schleyer-Sonderkommission weitergeleitet. Es wurde darin ausdrücklich erwähnt, daß es sich dabei um eine Ergänzung des Fernschreibens Nummer 827 vom 9 . September handelte. Doch nicht einem Beamten in der Soko fiel auf, daß es eine Verbindung zu dem ursprünglichen Fernschreiben 827 geben müßte. Niemand fragte nach. Niemand gab die Daten von Annerose Lottmann-Bücklers in den PIOS -Computer ein.
    Es war inzwischen Schleyers achter Tag im Appartement 104 , das bereits

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