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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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vor sechs Tagen geortet worden war.
    Zaghafte Versuche des Leiters der Kripo beim Oberkreisdirektor Bergheim, bei der Soko festzustellen, was aus den Objektlisten geworden sei, wurden schnell abgebügelt. Leitende Beamte der Soko baten Kriminaloberrat Breuer dringend, »von weiteren Fragen abzusehen, weil sie zeitlich und organisatorisch nicht zu bewältigen« seien. Zudem teilte das Regierungspräsidium Köln am 13 . September mit, daß die mit dem Fernschreiben 827 listenmäßig überprüften Objekte durch die Soko ausgewertet und dem Generalbundesanwalt zur »Prüfung hinsichtlich strafprozessualer Maßnahmen (Durchsuchung) vorgelegt worden« seien. Das war zwar offenkundig nicht geschehen, aber die örtlichen Polizeibeamten in Erftstadt, die fest davon überzeugt waren, daß Schleyer im Appartement 104 gefangengehalten wurde, konnten zumindest die vage Hoffnung haben, daß sich etwas tat. In ihrem Polizeibezirk ermittelte die Soko nämlich fortlaufend auf eigene Faust, ohne es den örtlichen Dienststellen mitzuteilen. Insofern bestand zumindest theoretisch die Möglichkeit, daß BKA oder GSG   9 , die Einsatztruppe des Bundesgrenzschutzes, heimlich etwas vorbereiteten.
    Doch das war nicht der Fall. Das Fernschreiben mit den Hinweisen auf Schleyers Versteck war irgendwo versiebt worden. Die örtliche Polizei, der die Kräfte und Einsatzmittel im Zuge der Operation »Exekutivschlag« bereits zugewiesen worden waren, wartete vergebens auf den Befehl »Vollkontrolle«.
    All diese Einzelheiten stellten sich erst im Zuge späterer Ermittlungen heraus. Am 8 . November 1977 , knapp drei Wochen nach der Ermordung Hanns Martin Schleyers, ging ein weiteres Fernschreiben der Polizeistation Erftstadt bei der Sonderkommission in Köln ein. Es enthielt einen Hinweis auf eine »verdächtige Wohnung in einem Hochhaus in Erftstadt-Liblar, Zum Renngraben  8 «, die von einer »Annerose Bueckler geb. Lottmann« zum 1 . August 1977 angemietet worden sei, »vermutlich aber trotz pünktlicher Zahlungen der Monatsmieten nicht mehr genutzt« werde. Auch jetzt reagierte die Soko nicht.
    Im Schlußvermerk des BKA über die Wohnung in Erftstadt hieß es später: »Nachdem auch in der Folgezeit die Mietzahlungen bis einschließlich Januar 1978 pünktlich erfolgt waren, ging Anfang Februar 1978 ein Kündigungsschreiben ein. Daraufhin wurde die Wohnung durchsucht.«
    Das Ergebnis ist bekannt.
     
    Nachtdienstmeldung Stammheim, 13 . September:
    »Vorkommnisse siehe Meldung.«
    In dieser Meldung berichtete der Vollzugsbeamte Wolf auf fast drei Seiten über Gespräche zwischen den Gefangenen.
    Schon häufiger hatten die Beamten gemerkt, daß die Kontaktsperre – und damit auch die Verhinderung der Kommunikation untereinander – von den Häftlingen im siebten Stock gebrochen wurde, indem sie sich in der Zelle auf einen Schemel stellten, den Mund dicht an die Luftschlitze in der Tür preßten und sich laut unterhielten. Das war nicht im Sinne der Beamten. Um ihrer vorgesetzten Dienststelle zu beweisen, daß die Gefangenen Informationen austauschten, setzte sich Wolf in dieser Nacht in eine Dienstzelle jenseits des Gitters zum Hochsicherheitstrakt. Von hier aus konnte er hören, was sich die Gefangenen zuriefen.
    Um 19 . 15 Uhr notierte er, daß aus der Zelle 715 gerufen wurde: »Was hört ihr, was habt ihr gehört? Leer unter mir.« Es war Baader, der seinen Mitgefangenen sagen wollte, daß die Zelle unter ihm nicht belegt war und er deshalb aus dem sechsten Stock keine Nachrichten mithören konnte.
    Aus Zelle 725 , in der Raspe saß, tönte es: »Leer unter mir.«
    Baader fragte nach: »Jan, und du? Nichts?«
    »Gestern abend auch nichts erfahren«, brüllte Raspe.
    Baader antwortete: »Doch, verstehe nichts.«
    Irmgard Möller rief durch den Türschlitz von Zelle 718 : »Sag noch mal.«
    »Verstehe nichts. Sitzungen und so, wer kocht hier Kohl?« erkundigte sich Baader.
    Um 19 . 20 Uhr verwarnte der Beamte die Gefangenen und notierte: »Zum ersten Mal verwarnt.«
    Fünf Minuten später rief Baader: »He, Gudrun, Jan, antwortet an alle, Gabi. Die Länderreihenfolge: Algerien, Libyen, Jemen und Irak.«
    Der Beamte notierte: »Weitere Unterhaltung schwer zu verstehen.«
    Um 19 . 30 Uhr schaltete sich Gudrun Ensslin aus Zelle 720 in den mühsamen Rufkontakt ein.
    »Provozierende Verordnung« notierte der Beamte.
    »Eine sehr lange Woche«, rief Jan-Carl Raspe.
    Baader meinte: »Auf der anderen Seite das Gegeifer!«
    Dann ging es um die

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