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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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Frage, ob ein Hubschrauber gelandet sei oder nicht. »Kann sein«, sagte Raspe.
    Um 19 . 35 Uhr diktierte Baader den anderen irgend etwas zum Thema Auslieferung. Er sprach so schnell, daß der Beamte nicht mitschreiben konnte. Protokollieren konnte er dann wieder Baaders kryptische Worte: »Unglaublich, Wehner spricht von Perversion.«
    Danach verlangte Baader von den Beamten Schlafmittel und Dolviran.
    Raspe wünschte Seife. Er wolle sich waschen.
    Kurz darauf meldete sich Baader wieder: »Ha, Jan, gibt es diese Krisenstäbe noch?«
    Raspe wußte offenbar Genaueres: »Heute abend findet das Gespräch mit Schmidt statt.«
    »Wer ist da alles?« wollte Baader wissen.
    »Europakommission erklärt sich mit der BRD solidarisch«, schrie Raspe durch den Türschlitz.
    Baader brüllte: »Ach, sie sagen, sie sind sich einig! Jan, das geht endlos. Habe von Standrecht, Todesstrafe gehört. Der Typ unter mir hört immer den Kommentar. Kommentare waren dagegen.«
    Um 23 . 50 Uhr wurden die Gefangenen erneut zur Ruhe ermahnt.
    Der Beamte notierte: »Baader wird sauer.«
    Eine Viertelstunde nach Mitternacht verlangte Baader Dolviran.
    Kurz danach war Stille. Der Beamte notierte: »Bis Dienstende keine Vorkommnisse mehr und ruhig.«
     
    Amtsinspektor Bubeck wurde telefonisch von den Gesprächen unterrichtet. Er verfügte, die Zellentüren provisorisch mit Matratzen zuzustellen. Am nächsten Tag werde man sich etwas anderes ausdenken.
     
    An diesem 13 . September 1977 wurde Andreas Baader aus Zelle 719 in Zelle 715 verlegt.
    Nach dem Tod der Stammheimer Häftlinge fand sich dort ein leeres Versteck in der Fensterwand, in das eine Waffe gepaßt hätte.
    Als Baader schon in der Zelle 715 saß, rief er noch einmal die Vollzugsbeamten. Man möge ihm bitte seinen Kaffee nachbringen. Ein Beamter stöberte in Zelle 719 herum – und fand im Karton für Kaffeefilter eine schwarze Minox-Kamera mit der dazugehörigen Filmkassette. Der Film war nicht belichtet.
     
    Als der stellvertretende Anstaltsleiter Schreitmüller später im Untersuchungsausschuß befragt wurde, was er gedacht habe, als er von dem Minox-Fund erfuhr, sagte er: »Auf alle Fälle habe ich mir folgendes gedacht: daß der vergessen hat, das Ding wegzuräumen.«
    Anstaltsleiter Nusser wurde gefragt, ob man nicht zu der Ansicht gekommen sei, die Zellen müßten besser durchsucht werden. Er antwortete: »Nein, das war eigentlich nicht der Fall … Wir haben zur Kenntnis genommen, daß hier ein Kleingerät übersehen worden ist.«

13. Eine Reise, ein Hilferuf und ein Hellseher
    (Mittwoch, 14 . September 1977 )
    Um 24 . 00 Uhr war das fünfte Ultimatum verstrichen.
    Kurz nach Mitternacht klingelte in der Stuttgarter Wohnung des Schleyer-Sohnes Hanns-Eberhard das Telefon. Seine Frau nahm den Hörer ab.
    »Ja, guten Tag, Frau Schleyer, ich möchte Ihnen also die Erklärung des Kommandos vorlesen. Möchten Sie sie …«
    Frau Schleyer hatte am Tag zuvor schon einmal die Entführer am Apparat gehabt: »Sie sind doch der gleiche Mensch wie gestern, wenn ich mich recht erinnere, oder?«
    »So ist es, ja. Möchten Sie die Erklärung mitschreiben?«
    »Eine witzige Frage«, sagte Frau Schleyer. »Was gibt’s denn?«
    »Ich möchte Ihnen gerne diese Erklärung vorlesen, wenn Sie daran interessiert sind allerdings nur.«
    »Etwas merkwürdig die Frage, finden Sie nicht?« antwortete Frau Schleyer. Sie nahm sich einen Stift und notierte, was ihr der Anrufer durchgab.
    »Die Taktiererei der sogenannten geheimen Verhandlungen …«
    »Die was?« fragte Frau Schleyer nach.
    »Taktiererei der sogenannten geheimen Verhandlungen …«, wiederholte der Anrufer.
    »Hm, ja.«
    »… ist absurd bei dem Ziel der Aktion«, diktierte er weiter.
    »Ist das Ziel nicht auch absurd?« fragte Frau Schleyer.
    »… ist absurd bei dem Ziel der Aktion: der Freilassung der Gefangenen. Wir haben das infame Kalkül der Bundesregierung …«
    »Das wie?« fragte Frau Schleyer.
    »… das infame Kalkül der Bundesregierung …«
    »Gar nicht möglich, daß Sie das wagen, von infam zu sprechen …«, meinte Frau Schleyer und notierte den Rest der Erklärung.
     
    Um 8 . 00 Uhr morgens startete Staatsminister Wischnewski zu einem Flug nach Algerien und Libyen, um den Entführern zu signalisieren, die Bundesregierung würde sich tatsächlich um ein Aufnahmeland für die RAF -Gefangenen bemühen.
    Gegen Mittag meldeten sich die Entführer wieder bei Rechtsanwalt Payot in Genf. Sie schlugen vor, den Abflug

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