Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Klaus. »Er will eine Mitteilung machen und ein Schriftstück übergeben.«
Auf Anweisung seines Präsidenten Herold flog Alfred Klaus mit dem Hubschrauber nach Stammheim. Er kam dort um 18 . 30 Uhr an. Gerhard Löchner war nicht da, er sagte Klaus am Telefon: »Ich komme nur dann, wenn es unumgänglich ist.«
Eine Viertelstunde später wurde Raspe in das Besucherzimmer geführt. »Ich habe noch eine Ergänzung zu den Fragebögen«, sagte er. »Ich kann die Liste der Aufnahmeländer um einige erweitern.« Dann reichte er dem BKA -Beamten einen Bogen mit der vorbereiteten maschinenschriftlichen Erklärung:
»Für den Fall, daß die Bundesregierung wirklich den Austausch versucht, und vorausgesetzt, die bereits genannten Länder – Algerien, Libyen, Vietnam, Irak, Südjemen – lehnen die Aufnahme ab, nennen wir noch eine Reihe weiterer Länder: Angola, Moçambique, Guinea-Bissau, Äthiopien. 27 . 9 . 77 Raspe.«
Alfred Klaus nahm die Liste, sah Raspe an und sagte: »Das Wort ›wir‹ und die Aufzählung der schon von Baader genannten fünf Aufnahmeländer bedeutet wohl, daß Sie sich untereinander verständigt haben.« Raspe wurde verlegen, sagte aber nichts. Er unterzeichnete das Original und die Kopie des Schreibens und bat Klaus, sie an den Krisenstab weiterzureichen.
»Haben Sie noch etwas zu sagen?« fragte der BKA -Beamte.
Jan-Carl Raspe antwortete: »Die lange Dauer der ganzen Sache läßt auf die Absicht einer polizeilichen Lösung schließen. Damit wäre eine politische Katastrophe programmiert, nämlich tote Gefangene.«
Im übrigen sei die Isolation nach außen zur Zeit total. Es sei nicht einzusehen, warum man nicht wenigstens die Gefangenen innerhalb der Anstalt miteinander kommunizieren lasse, zumal die Isolation offenbar gesetzlich legitimiert und damit auf eine andere Ebene gehoben werden solle. »Wenn keine Entscheidung getroffen wird, kann dieser Zustand möglicherweise noch drei Monate dauern.«
»Meine persönliche Auffassung ist«, meinte Alfred Klaus, »daß dem durch eine Botschaft der Gefangenen, die Entführungsaktion zu beenden, abgeholfen werden könnte.«
Am Ende des Gesprächs sagte Raspe: »Die Aufnahme in einem der genannten Länder hängt von der Intensität ab, mit der sich die Bundesregierung darum bemüht.«
Als Raspe wieder in seine Zelle geführt worden war, sprach Alfred Klaus den Vollzugsbeamten Bubeck, der bei dem Gespräch dabeigewesen war, darauf an, daß sich die Gefangenen offenbar verständigen konnten. Daraufhin führte Bubeck den BKA -Beamten in den Korridor vor den Zellen und zeigte ihm die Dämmplatten, mit denen nächtliche Sprechkontakte von Zelle zu Zelle unmöglich gemacht werden sollten.
Klaus rief den Chef der Sonderkommission beim Stuttgarter Landeskriminalamt, Textor, den Abteilungsleiter im BKA , Boeden, und Bundesanwalt Löchner an und berichtete über seinen Besuch bei Raspe.
Nachtdienstmeldung Stammheim, 27 . September:
» 18 . 20 Uhr Raspe Zellentür geöffnet.
18 . 30 Uhr – 18 . 40 Uhr Gespräch zwischen einem Herrn vom BKA und Raspe auf 707 .
23 . 00 Uhr Medikamente an Baader und Raspe ausgehändigt.«
26. Eine Flugzeugentführung in Japan
(Mittwoch, 28 . September 1977 )
In den frühen Morgenstunden wurde eine Maschine der Japan Airlines von japanischen Terroristen entführt. Sie forderten, neun gefangene japanische Anarchisten im Austausch gegen die Flugzeuginsassen freizulassen.
Im Bundestag gab es die zweite Lesung des Kontaktsperregesetzes. Der SPD -Abgeordnete Manfred Coppik erklärte: »Man kann sehr daran zweifeln, ob die Isolation von Gefangenen wirklich hilft, das Leben einer Geisel zu retten, die schließlich nicht in der Gewalt von Gefangenen, sondern von in Freiheit befindlichen Terroristen ist … Die Aufgabe rechtsstaatlicher Grundprinzipien rettet kein Menschenleben, schafft aber Lebensverhältnisse, in denen die friedliche demokratische Entwicklung in einem Rechtsstaat gefährdet wird und damit weitere Menschenleben in Gefahr geraten … Der Kampf gegen den Terrorismus wird nicht durch Sondergesetze gewonnen …«
Nachtdienstmeldung Stammheim, 28 . September:
» 18 . 50 Uhr Baader verlangt nach einer Optipyrin – ausgehändigt.
23 . 00 Uhr Medikamentenausgabe durch Sanitäter.
23 . 55 Uhr Baader verlangt nach einer Optipyrin – ausgehändigt.«
27. Keine Zeit für Kompromisse
(Donnerstag, 29 . September 1977 )
Die japanische Regierung erklärte sich bereit, den Forderungen der
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