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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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Souhaila Sayeh nach einigem Zögern ausgesagt, am Abend nach ihrer Ankunft auf Mallorca habe sie Monika Haas, die von den Palästinensern »Amal« genannt wurde, vor der Entführung der »Landshut« getroffen. Das hatte sich nach Souhaila Sayehs spätem Geständnis so zugetragen:
    Etwa drei Tage vor der Entführung flog sie gemeinsam mit Nabil Harb ohne Waffen nach Palma de Mallorca. Zohair Akache, der vorausgeflogen war, holte sie vom Flughafen ab und brachte sie ins gemeinsame Hotel. Am Abend kam Monika Haas, die sie ja schon aus Aden kannte, ins Hotel. Amal hatte einen etwa drei Monate alten Säugling und einen großen Kinderwagen, aus dem sie runde und viereckige Bonbondosen aus Metall sowie ein Radio hervorkramte. Während Amal sich auf englisch mit dem Chef des Entführungskommandos unterhielt, spielte Souhaila mit dem Kind. Dann verließ Amal das Hotelzimmer, und Zohair Akache sagte: »Jetzt haben wir die Waffen. Sie sind in den Dosen. Im Radio ist ein Zündmechanismus versteckt.« Amal habe die Waffen und den Sprengstoff im Kinderwagen durch die Kontrollen geschmuggelt. Souhaila offenbarte den deutschen Fahndern auch ihre Verwunderung darüber, daß ausgerechnet die als Mossad-Agentin verdächtigte Frau Zaki Helous für eine so brisante Kuriertätigkeit ausgewählt worden war: »Wie konnten sie Amal benutzen, wenn sie glaubten, sie sei eine Verräterin?«
     
    Als Indiz dafür, daß ihre Geschichte mit den Bonbondosen den Tatsachen entsprach, bewertete die Bundesanwaltschaft Aussagen des Hotelpersonals. Angestellte hatten berichtet, daß eine der Entführerinnen beim Auszug eine Tüte mit rund drei Kilogramm Bonbons verschenkt hatte. Das Einwickelpapier habe die Markenaufdrucke »Super Glacial«, »Made in Algeria« und »Le Lion« getragen. Zumindest ein Bonbon der Marke »Super Glacial« wurde später im Reisegepäck einer der Entführerinnen gefunden. Monika Haas dagegen führte die Bonbons als Entlastungsindiz an: Wenn sie die Waffen wirklich in den Bonbondosen transportiert hätte, dann hätte sie die Bonbons ganz sicher nicht in einer separaten Tüte mit nach Mallorca gebracht. Auch erklärte sie, daß ihre Tochter im Sommer 1977 schwer erkrankt und im Oktober keinesfalls reisefähig gewesen sei. Das wiederum zweifelten die Bundesanwälte an.
    Auch das Bundeskriminalamt und der Verfassungsschutz hatten Hinweise, daß eine gewisse Frau Vermaesen gemeinsam mit einem Kind und einem Begleiter namens Kamal von Algier aus nach Mallorca geflogen sei – Hinweise, die man eineinhalb Jahrzehnte geheimhielt, angeblich, um die Quellen nicht zu gefährden. Das wiederum erregte bei manchem den Verdacht, daß eine solche Geheimhaltung einen anderen Grund gehabt haben könnte. Vielleicht war Monika Haas’ Kontakt zum israelischen Geheimdienst doch etwas intensiver gewesen, als sie nach ihrem Nairobi-Abenteuer zugegeben hatte.
     
    Das Ministerium für Staatssicherheit etwa legte eine umfangreiche Akte an, um herauszufinden, ob Monika Haas tatsächlich, wie es einige Palästinenser vermuteten, für einen westlichen Geheimdienst tätig gewesen war.
    Die Stasi-Offiziere befragten alle ihre Quellen, die mit Monika Haas jemals direkt oder indirekt zu tun gehabt hatten. Es waren viele, denn nach den Ereignissen im »Deutschen Herbst« ging ein Teil der RAF in die DDR , um dort im real existierenden Sozialismus ein Leben ohne Terroranschläge zu führen. Ein anderer Teil hatte auch während des fortgesetzten Untergrundkampfes Kontakt zum MfS. Jeder hatte ein anderes Indiz gegen Monika Haas vorzubringen. Manche Verdachtsmomente waren fundiert, andere reiner Klatsch.
    Ohne ein Ergebnis, das über Verdachtsmomente hinausging, schlossen die Mitarbeiter der Stasi-Hauptabteilung XXII die Akte mit dem Decknamen » OV Wolf« wieder.
    Eine geheimdienstliche Querverbindung ausgerechnet zu den Israelis aufzudecken – daran war auch die Bundesanwaltschaft nicht sonderlich interessiert. Sie wollte nur wissen, ob Monika Haas tatsächlich die Waffen für die »Landshut«-Entführung transportiert hatte. Eineinhalb Jahrzehnte später stöberten die Karlsruher Bundesanwälte im Zuge der Haas-Ermittlungen zunächst die einzige überlebende Entführerin Souhaila Sayeh in Norwegen auf und konnten sie zu Aussagen bewegen, die sie später teilweise widerrief. Nach ihrer Verurteilung zu zwölf Jahren Haft fanden die Bundesanwälte auch noch den Mann, der Monika Haas angeblich auf ihrer Reise nach Mallorca begleitet hatte. Der Palästinenser

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