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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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die Gefangenen zu überwachen?
     
    In Palma de Mallorca kam am Abend des 6 . Oktober gegen 23 . 00 Uhr ein schwarzhaariger junger Mann in die Lounge des Hotels »Saratoga« und verlangte ein Einzelzimmer. Das Hotel war fast ausgebucht, und der Mann, der einen iranischen Paß auf den Namen Ali Hyderi vorlegte, mußte mit einem teuren Vierbettzimmer vorlieb nehmen. Am nächsten Morgen erkundigte er sich erneut, ob ein Einzelzimmer freigeworden sei. Der Portier konnte ihm nur ein Doppelzimmer anbieten.
    »Ist sonst noch etwas frei?« fragte der Gast. »Ich erwarte heute gegen Mitternacht noch jemanden.«
    Wieder schüttelte der Portier den Kopf: »Sie haben doch ein Doppelzimmer, vielleicht kann die Person eine Nacht bei Ihnen schlafen?«
    »Es handelt sich um eine Dame«, sagte Hyderi.
    »Das müssen Sie wissen.«
    Gegen Mitternacht kam die Besucherin und legte ebenfalls einen iranischen Paß vor, der auf den Namen Soraya Ansari ausgestellt war.
     
    Nachtdienstmeldung Stammheim, 6 . Oktober:
    » 21 . 05 Uhr Baader verlangt sein Schlafmittel.
    21 . 25 Uhr Baader wurde sein Schlafmittel und eine Dolviran vom Sani ausgehändigt.«

35. »Keiner hat die Absicht, sich umzubringen«
    (Freitag, 7 . Oktober 1977 )
    Kurz nach Mittag übergab ein Justizbeamter Baader eine schriftliche Verfügung der Anstaltsleitung, die privaten Obsteinkauf der Gefangenen verbot. Baader warf ihm das Schriftstück vor die Füße und sagte: »Das sind die Dinge, für die Sie noch büßen müssen. Ich gebe Ihnen noch wenige Tage.«
    »Lesen Sie doch die Unterschrift auf der Verfügung«, sagte der Beamte.
    »Sie sind das unterste Glied in der Mordmaschinerie, und an Sie halte ich mich«, antwortete Baader.
    Kurze Zeit später besuchte Dr. Henck die Gefangenen im siebten Stock. »Noch ein paar Tage, dann gibt es Tote«, sagte ihm Baader. Und Gudrun Ensslin meinte: »Jetzt platzt der Sadismus aus allen Nähten.«
    Noch am selben Tag schrieb Andreas Baader an das Oberlandesgericht:
    »Aus dem Zusammenhang aller Maßnahmen seit sechs Wochen und ein paar Bemerkungen der Beamten läßt sich der Schluß ziehen, daß die Administration oder der Staatsschutz, der – wie ein Beamter sagt – jetzt permanent im siebten Stock ist, die Hoffnung haben, hier einen oder mehrere Selbstmorde zu provozieren, sie jedenfalls plausibel erscheinen zu lassen.
    Ich stelle dazu fest: keiner von uns – das war in den paar Worten, die wir vor zwei Wochen an der Tür wechseln konnten, und der Diskussion seit Jahren klar – hat die Absicht, sich umzubringen. Sollten wir – wieder ein Beamter – hier ›tot aufgefunden werden‹, sind wir in der guten Tradition justizieller und politischer Maßnahmen dieses Verfahrens getötet worden.
    Andreas Baader, 7 .  10 ., 19  Uhr.«
     
    Nachtdienstmeldung, 7 . Oktober:
    » 23 . 00 Uhr Baader Schlafmittel ausgegeben sowie Dolviran. Raspe Fortral ausgehändigt. Ansonsten keine Vorkommnisse.«

36. Selbstmorddrohungen und Vertrauen in das Verantwortungsbewußtsein der Politiker
    (Samstag, 8 . Oktober 1977 )
    In der Genfer Anwaltskanzlei ging am Morgen ein handgeschriebener Brief Schleyers ein, dem eine Polaroidaufnahme beigefügt war. Der Entführte hielt auf dem Foto ein Schild mit der Aufschrift: »Seit 31  Tagen Gefangener«.
    Hanns Martin Schleyer schrieb: »Ich habe die Gelegenheit bekommen, meiner Frau für den mich beruhigenden Brief in ›Bild am Sonntag‹ vom 21 .  9 .  1977 zu danken. Ich kann meiner Frau versichern, daß es mir physisch und psychisch gutgeht, soweit dies unter den gegebenen Umständen möglich ist. Die Ungewißheit ist die größte Belastung. Ich habe in der ersten Erklärung nach der Entführung zum Ausdruck gebracht, daß die Entscheidung über mein Leben in der Hand der Bundesregierung liegt, und ich habe damit diese Entscheidung akzeptiert. Aber ich sprach von Entscheidung und dachte nicht an ein jetzt über einen Monat dauerndes Dahinvegetieren in ständiger Ungewißheit.«
    Das Vorgehen der Japaner nach der Entführung des JAL -Flugzeuges zeige, daß es Länder gebe, die aufnahmebereit seien. (Algerien hatte die neun freigepreßten Japaner aufgenommen.) Die Vermittlertätigkeit Payots sei nicht mehr hilfreich, solange sie keine wirklichen Ergebnisse bringen könne.
    »Meine Familie und meine Freunde wissen, daß ich nicht so leicht umzuwerfen bin und über eine robuste Gesundheit verfüge. Dieser Zustand eines nicht mehr verständlichen Hinhaltens ist aber gerade nach der

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