Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Entscheidung der japanischen Regierung und ihrer konsequenten Haltung, nach der sie sich als mitverantwortlich für die Entführung bezeichnete und Maßnahmen erst nach der unblutigen Abwicklung dieses Vorgangs ergreifen wird, auch von mir nicht mehr lange zu verkraften. Man muß schließlich die Umstände berücksichtigen, unter denen ich lebe. Deshalb ist eine Entscheidung der Bundesregierung – wie ich sie am ersten Tag gefordert habe – dringend geboten.
Dies um so mehr, als meine Entführer nach meiner festen Überzeugung so nicht mehr lange weitermachen werden. Ihre Entschlossenheit kann nach der Ermordung Bubacks und Pontos nicht in Zweifel gezogen werden.
Mit meiner Frau vertraue ich auf das hohe Verantwortungsbewußtsein der politisch Verantwortlichen und hoffe nach wie vor, bald wieder bei ihr sein zu können.«
Gegen 14 . 00 Uhr erhielt der BKA -Beamte Klaus einen Anruf aus Stammheim. Der Vollzugsbeamte Bubeck war am Telefon: »Baader hat um Ihren Besuch gebeten. Bis 16 . 00 Uhr sollen Sie hier sein.«
Klaus wurde mit einem Hubschrauber nach Stammheim geflogen. Um 17 . 45 Uhr kam Baader ins Besucherzimmer der Anstalt. Er wirkte nervös und fragte: »Haben Sie mir etwas zu sagen?«
Klaus antwortete: »Ich denke, ich bin gekommen, um von Ihnen etwas zu hören.«
Hektisch und unzusammenhängend sagte Baader: »Wenn das jämmerliche Spiel und die Potenzierung der Isolation seit sechs Wochen nicht bald ein Ende findet, werden die Gefangenen entscheiden. Das polizeiliche Kalkül wird nicht aufgehen. Dann werden die Sicherheitsorgane mit einer Dialektik der politischen Entwicklung konfrontiert, die sie zu betrogenen Betrügern macht. Die Gefangenen haben nicht die Absicht, die gegenwärtige Situation länger hinzunehmen. Die Bundesregierung wird in Zukunft nicht mehr über die Gefangenen verfügen können.«
»In welcher Welt leben Sie eigentlich?« fragte der BKA -Beamte. »Finden Sie nicht auch, daß das irreale Vorstellungen sind?«
»Das ist eine Drohung«, sagte Baader. »Es wird sich um eine irreversible Entscheidung der Gefangenen in Stunden oder Tagen handeln.«
Klaus hatte das Gefühl, Baader sei infolge der Isolation und der Ungewißheit mit den Nerven am Ende.
Nach sieben Minuten stand Baader auf und verließ das Besucherzimmer. Auf dem Flur blieb er noch einmal stehen und wandte sich um: »Falls die Bundesregierung die Gefangenen auszutauschen beabsichtigt, dann wollen wir nicht irgendwohin gebracht werden, sondern an den Verhandlungen über Zielort und Modalitäten beteiligt werden.« Dann ließ er sich wieder in seine Zelle einschließen.
Alfred Klaus flog zurück nach Bonn und schrieb einen Vermerk über das Gespräch mit Baader: »Mit der von ihm genannten Entscheidung der Gefangenen kann nach Sachlage nur ihre Selbsttötung gemeint sein. Ob dies ernst gemeint ist und ob die Gefangenen sich darüber haben verständigen können, ist nicht sicher.«
In Palma de Mallorca war inzwischen ein zweites, angeblich aus dem Iran stammendes Paar eingetroffen. Die beiden legten Pässe auf die Namen Riza Abbasi und Shanaz Holoun vor und bezogen ein Doppelzimmer im Hotel »Costa del Azul«, nicht weit entfernt vom »Saratoga«, in dem ihre Landsleute abgestiegen waren.
Abbasi besuchte fast jeden Tag Reisebüros. Er wollte unbedingt mit der Lufthansa nach Frankfurt fliegen. Schließlich buchte er zwei First-Class-Tickets für den Flug Lufthansa 181 am Donnerstag, 13 . Oktober 1977 . Gleichzeitig kaufte auch Ali Hyderi zwei Tickets, Economy, für den Flug nach Frankfurt.
Die angeblichen Perser waren im Libanon und in Israel geboren.
»Shanaz Holoun«, 22 Jahre alt, hieß Hind Alameh und war libanesische Christin.
»Riza Abbasi«, 23 , war in Beirut geboren und hieß in Wirklichkeit Nabil Harb. Er war Sohn wohlhabender Libanesen.
»Soraya Ansari«, geboren 1955 in Israel, war mit ihren christlich-orthodoxen Eltern nach Kuweit emigriert. Sie hatte in Bagdad englische Literatur studiert.
»Ali Hyderi« wurde 1954 im palästinensischen Flüchtlingslager Burj el-Brajneh am Rande Beiruts geboren. Sein Name war Zohair Youssif Akache. Seine Eltern waren 1948 aus Israel geflohen.
Nachtdienstmeldung Stammheim, 8 . Oktober:
» 23 . 00 Uhr Medikamente an Baader und Raspe ausgegeben.
2 . 50 Uhr eine Optipyrin an Baader ausgegeben.«
37. »Besser ein gefangener Hund als ein toter Löwe«
(Sonntag, 9 . Oktober 1977 )
Gudrun Ensslin hatte am Morgen den Justizbeamten mitgeteilt,
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