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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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Wohnung von der Hauseigentümerin aufschließen. Sie war in »verwahrlostem Zustand«, ausgestattet mit »wenig Mobiliar«, wie die Polizisten notierten. Ello kam die Treppe hoch. Als sie entdeckte, daß die ganze Wohnung voller Polizeibeamter war, verließ sie das Haus. Niemand hatte sie gesehen.
    Am 10 . April konnte die Polizei sie vernehmen. Ello sagte, sie habe keine Veranlassung mehr, irgendwelche Rücksichten auf »B.« zu nehmen, obwohl er der Vater ihres »außerehelich« geborenen Kindes sei. Sie habe Angst vor ihm, weil er »rücksichtslos gegen mich auftrat und mich auch schon einmal geschlagen hat«. Einen Satz in ihrer Aussage markierten die Beamten mit einem dicken Balken: »Mein Eindruck war, daß Baader von Natur aus dazu neigte, Menschen zu beeinflussen und sie seinem Willen gefügig zu machen.«
    Nach der Verhaftung bestritt Andreas Baader jegliche Beteiligung an den Brandanschlägen, die übrigen verweigerten die Aussage. Sofort meldeten Zeitungen, die Festgenommenen seien Mitglieder des SDS gewesen, was nicht stimmte; sie hatten lediglich am Frankfurter SDS -Kongreß teilgenommen.
    Der SDS -Vorstand distanzierte sich von der Brandstiftung: »Der SDS ist zutiefst darüber bestürzt, daß es in der Bundesrepublik Deutschland Menschen gibt, die glauben, an den politischen und gesellschaftlichen Zuständen in diesem Land durch unbegründbare Terroraktionen ihrer Opposition Ausdruck verleihen zu können.«
    Die »Kommune  I « dagegen erklärte sich solidarisch: »Wir haben Verständnis für die psychische Situation, die einzelne jetzt schon zu diesem Mittel greifen läßt.«
    Im internen Kreis äußerten sich die Mitglieder der »K 1 « ein wenig kritischer über die Frankfurter Brandstifter: »Das ist doch nur ein psychisches Versagen, die Leute wollen eigentlich in den Knast. Das Problem ist nur noch psychologisch zu erklären. Es ist in dem Sinne nicht mehr politisch, weil sie sich auch so dilettantisch verhalten haben, daß sie gleich verhaftet worden sind.«
    Gerade diese psychische Ausgangsbasis konnten aber viele nachvollziehen, die in der APO mitmachten, erlebt hatten, wie die Berliner Polizei bei Demonstrationen zuschlug, wie Springer-Zeitungen mit Schlagzeilen Stimmung gegen die Studenten machten, wie Benno Ohnesorg erschossen und der Todesschütze Kurras freigesprochen worden war. Bommi Baumann, Randfigur der »Kommune  I «, schilderte das so: »Ob die da nun ein Kaufhaus angesteckt haben oder nicht, war mir im Augenblick scheißegal, einfach daß da mal Leute aus dem Rahmen ausgebrochen sind und so eine Sache gemacht haben, auch wenn sie es so angestellt haben, daß sie geschnappt worden sind. Die Brandstiftung ist natürlich auch eine Konkurrenzgeschichte. Wer die knallhärtesten Taten bringt, der gibt die Richtung an.«
    Es wurde ernst. Wie ernst, zeigte sich eine Woche nach dem Brandanschlag, am Gründonnerstag 1968 .

16. Ein Attentat
    Am 11 . April 1968 , morgens um 9 . 10 Uhr, kam der 24 jährige Anstreicher Josef Bachmann mit dem Interzonenzug aus München auf dem Westberliner Bahnhof Zoo an. Er hatte ein blasses Gesicht, kurzgeschnittene, sorgfältig gescheitelte Haare, und unter der hellbraunen Wildlederjacke trug er im Schulterhalfter eine Pistole. In seiner blaugrünen Tasche hatte er Munition und eine zweite Waffe. Daneben steckte in einem braunen Pappumschlag ein Ausschnitt aus der rechtsradikalen »Deutschen Nationalzeitung«. Unter dem Datum des 22 . März 1968 stand da zu lesen:
    »Stoppt Dutschke jetzt!
    Sonst gibt es Bürgerkrieg.
    Die Forderung des Tages heißt: Stoppt die linksradikale Revolution jetzt! Deutschland wird sonst das Mekka der Unzufriedenen aus aller Welt.«
    Unter der Schlagzeile waren fünf Fotos von Rudi Dutschke zu sehen, aufgereiht wie Fahndungsbilder.
    Josef Bachmann verließ den Bahnhof, versetzte in einem Geschäft für An- und Verkauf sein mitgebrachtes Kofferradio, erhielt dafür 32  Mark, kaufte sich Schrippen und Wurst und setzte sich zum Frühstück auf eine Bank.
    Dann ging er zum Einwohnermeldeamt und erhielt dort die Auskunft, Dutschke sei in Berlin  31 , Kurfürstendamm 140 , gemeldet. Mit dem Autobus fuhr Bachmann zurück zum Bahnhof Zoologischer Garten, aß dort einen Teller Linsensuppe, danach noch zwei Buletten und machte sich zu Fuß auf den Weg zum SDS -Zentrum. Es war 16 . 35 Uhr.
    Bachmann sah Rudi Dutschke mit einem Fahrrad aus dem Haus Kurfürstendamm  140 kommen. Bachmann lief auf Dutschke zu, der auf dem Weg zur

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