Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
dritten Stock, probierten ein paar Campingliegen aus, durchstreiften kurz die übrigen Etagen und verließen das Kaufhaus wieder.
Kurz vor Ladenschluß, gegen 18 . 30 Uhr, kehrten sie zurück. Das »Kaufhaus Schneider« war fast leer. Die Rolltreppen waren schon abgestellt, und die beiden späten Kunden stürmten Hand in Hand die Treppen hinauf. Ihre abgewetzte studentische Kleidung fiel auf. Verwundert blickten ein paar Verkäuferinnen ihnen nach.
Die beiden hatten eine Tasche dabei. Als sie sich unbeobachtet fühlten, holten sie daraus einen Brandsatz hervor und legten ihn im ersten Stock, in der Abteilung für Damenoberbekleidung, auf eine Schrankwand.
Der zweite Brandsatz wurde in der Möbelabteilung auf einem altdeutschen Schrank deponiert. Die Zeitzünderuhren waren auf Mitternacht gestellt. Kurz bevor die Kaufhaustüren geschlossen wurden, verschwanden die beiden wieder auf der Straße.
An diesem Abend wurden auch im »Kaufhof« Brandsätze gelegt. Wer die Täter waren, konnte im späteren Prozeß nicht eindeutig geklärt werden.
Kurz vor Mitternacht bemerkte der Inhaber eines Taxiunternehmens, der noch in seinem Büro saß, einen Feuerschein im dritten Stockwerk des »Kaufhaus Schneider« gegenüber. Er rief die Feuerwehr. Als die Löschfahrzeuge eingetroffen waren, brach im ersten Stock ein weiteres Feuer aus. Etwa zur gleichen Zeit rief eine Frau im Frankfurter Büro der Deutschen Presseagentur an und sagte: »Gleich brennt’s bei Schneider und im Kaufhof. Es ist ein politischer Racheakt.«
Wenige Minuten nach dem Ausbruch des Feuers im »Kaufhaus Schneider« brannte es auch im »Kaufhof«. Ein Angestellter des Hauses war auf dem Weg zu einer auch nachts im vierten Stock arbeitenden Malerkolonne, als er hinter sich eine Explosion hörte. Er drehte sich um und sah in fünf bis zehn Metern Entfernung eine Flammenwand, die bis an die Decke reichte. Der Rauch trieb auf ihn zu, er hustete, ihm tränten die Augen, und er lief aus der brennenden Bettenabteilung. Inzwischen war auch in der Spielwarenabteilung Feuer ausgebrochen. Die Sprinkleranlage schaltete sich automatisch ein. Die Löschtruppen waren schnell da und brachten die Brände in kurzer Zeit unter Kontrolle. Menschen wurden nicht verletzt. Es entstand ein verhältnismäßig geringer Sachschaden – im wesentlichen durch Löschwasser. Die Brandstellen wurden noch in der Nacht von Sachverständigen untersucht. Die Versicherung trug die Kosten: im »Kaufhaus Schneider« 282 339 Mark, im »Kaufhof« 390 865 Mark.
Andreas Baader und Gudrun Ensslin hatten im »Club Voltaire« die Sirenen der Feuerwehr hören können. Sie eilten zur Brandstelle und reihten sich in die Gruppe der Schaulustigen ein. Dann gingen sie zurück in den »Club Voltaire« und blieben, bis das Lokal frühmorgens geschlossen wurde. Eine Bekannte nahm sie mit in ihre Wohnung.
Am Abend darauf trafen alle wieder im »Club Voltaire« zusammen. Die Frau hatte ihr Kind mitgebracht, und zu später Stunde boten ihr Baader und seine Freunde gut gelaunt an, das Kind nach Hause zu bringen, damit die Mutter noch etwas im Club bleiben könne.
Gegen ein Uhr nachts ging sie zusammen mit ihrem Freund nach Hause. Die Besucher schliefen schon auf ihrem Matratzenlager im Wohnzimmer. So schlüpfte das Pärchen zum Kind ins Bett. Dem Freund behagte der fremde Besuch nicht. Ihr merkwürdig aufgekratztes Verhalten, ihre Andeutungen und die Kaufhausbrände machten ihn mißtrauisch. Im Bett fragte er seine Freundin: »Glaubst du, daß die das waren?« – »Sei ruhig und rede nicht darüber«, antwortete sie. Morgens verließen die beiden die Wohnung. Sie hofften, daß die Besucher am Abend verschwunden sein würden.
Kurz vor 10 . 00 Uhr vormittags erhielt die Frankfurter Polizei einen »konkreten Hinweis« auf die Brandstifter. Wenige Minuten später waren Baader, Ensslin und die beiden anderen in der Wohnung festgenommen. Sie und das Auto wurden durchsucht. In Gudrun Ensslins Handtasche fanden die Beamten eine Schraube, deren Duplikat an einer der Brandbomben gefunden worden war. Im Auto entdeckten die Fahnder Uhrenteile, den Glühkopf eines Batteriezünders, Reste des Klebebandes, mit dem die Bomben umhüllt waren, und sonstige zum Bau eines Sprengsatzes geeignete Materialien.
Kurz nach der Festnahme besorgte sich die Frankfurter Polizei einen Hausdurchsuchungsbefehl für Baaders und Ellos Berliner Wohnung in der Badenschen Straße. Am 5 . April ließen sich zwei Berliner Beamte die
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