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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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starben kurz darauf im Krankenhaus. Was und wer für ihren Tod verantwortlich war, konnte nie zweifelsfrei geklärt werden.
    Auf einer Pressekonferenz in Berlin sagte Horst Mahler damals, wenn man Revolution mache, müsse man auch mit Opfern rechnen. Er verdeutlichte das mit einem Beispiel: »Wenn ich mich an das Steuer meines Wagens setze, muß ich damit rechnen, daß der Reifen mir platzen kann.«
    Ulrike Meinhof überschrieb ihre Kolumne in »konkret« nach dem Dutschke-Attentat: »Vom Protest zum Widerstand«.
    »Protest ist, wenn ich sage, das und das paßt mir nicht. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß das, was mir nicht paßt, nicht länger geschieht. Gegengewalt, wie sie in diesen Ostertagen praktiziert worden ist, ist nicht geeignet, Sympathien zu wecken, nicht, erschrockene Liberale auf die Seite der Außerparlamentarischen Opposition zu ziehen. Gegengewalt läuft Gefahr, zu Gewalt zu werden, wo die Brutalität der Polizei das Gesetz des Handelns bestimmt, wo ohnmächtige Wut überlegene Rationalität ablöst, wo der paramilitärische Einsatz der Polizei mit paramilitärischen Mitteln beantwortet wird …«
    Wie Leitmotive begleiteten in diesen Monaten die Begriffe »Kampf« und »Gewalt« die Kolumnen von Ulrike Meinhof in »konkret«:
    »Gegen-Gewalt« (Februar), »Der Kampf in den Metropolen« (März), »Vom Protest zum Widerstand« (Mai), »Notstand-Klassenkampf« (Juni).

17. Der Brandstifterprozeß
    Am 23 . April 1968 besuchte Bernward Vesper seine ehemalige Verlobte Gudrun in der Haftanstalt Frankfurt-Preungesheim. Anschließend schrieb er an seine Mutter: »Gudrun bietet ein Bild des Jammers, sie ist alt geworden und sehr abgemagert, die Haare gehen ihr aus, und irgendwie löst sich ihr Verhältnis zur Welt auf.«
    Andreas Baader beantwortete am 10 . Mai einen Brief der »Kommune  I « mit Gefängnisimpressionen: »Knast, trübe und schwierig, Triebverzicht auf jeden Fall, irgend etwas im Fraß, das ruhig und elegisch machen soll, mich trotzdem tanzen läßt wie eine Ratte … Verhandlungen wahrscheinlich im Juli (wenn Bonn längst gefallen ist, laßt uns ein Stück der NATO übrig), sonst Depressionen und der ganze Dreck …«
    Gudrun bestellte sich im Melzer Verlag die pornographische »Geschichte der O« mit dem Hinweis, sie habe das Buch »vor vielen Jahren versucht, auf französisch« zu lesen, doch das sei zu mühselig gewesen. Baader schrieb an den Mittäter Thorwald Proll, offenbar über Gudrun: »Wie ich sage, die Alte darbt, wenn sie nicht fickt.«
    Bernward Vesper schien sich mit Gudruns Psyche gut auszukennen. Er schrieb ihr: »Liebe, du mußt deine Geschichte zu Ende machen; um frei zu werden … Du mußt erst dahin kommen, daß nichts und niemand dir helfen kann (noch verläßt du dich innerlich, deshalb gehst du von einer Unfreiheit in die nächste).« Er schickte ihr zum Geburtstag » 28 irrsinnig schöne Rosen« und »Tonnen barbarisch guter Wurst«, wie Gudrun ihm in artigen Dankesworten schrieb. Eine Beamtin habe ihr gesagt: »So einen Mann finden Sie nie wieder.« Die Fotos ihres gemeinsamen Kindes hätten sie daran erinnert, wie lange das alles noch dauern würde: »O Gott … Ich darf alles, nur nicht verrückt werden, den langen Weg nicht aus den Augen lassen.«
     
    Die Nachrichten überschlugen sich: 50   000  Leute zur Maidemonstration in Berlin, Notstandsdemonstration in Bonn, Streiks und Institutsbesetzungen als Protest gegen die Notstandspläne der Bonner Regierung an fast allen Hochschulen, SDS -Kongreß in Frankfurt mit einer Rebellion der Frauen, Beate Klarsfelds Ohrfeigenaktion gegen Bundeskanzler Kiesinger, Demonstration in Frankfurt gegen die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an den senegalesischen Präsidenten Senghor.
    Während dieses aufrührerischen Sommers 1968 saßen die Frankfurter Kaufhausbrandstifter im Gefängnis.
    Gudrun Ensslin hatte sich in der Untersuchungshaft verhältnismäßig gut in den Anstaltsbetrieb eingegliedert. Sie nahm an einem politisch-literarischen Arbeitskreis der Gefangenen teil, begegnete anfangs den Ressentiments der übrigen, aus der sozialen Unterschicht stammenden Mitgefangenen, konnte die Widerstände aber überwinden. Die Anstaltsleiterin von Preungesheim, Helga Einsele, fand, sie sei »ein eindrucksvoller Mensch, weil sie so absolut ist, notfalls mit dem Leben für ihre Überzeugung eintritt«.
    Aus der Haft schrieb sie an ihren Anwalt Professor Ernst Heinitz in Berlin, den sie über

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