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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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ihre Autos so, daß sie die Ausfahrt der Zeitungslastwagen blockierten.
    Die Studenten hatten die Parole ausgegeben: Heute darf keine Springer-Zeitung die Druckerei verlassen. Als Ulrike Meinhof und ihr Begleiter an einem der Tore zum Verlagsgelände hiel_ ten, kam ein Student auf sie zu. »Wir brauchen noch Autos«, sagte er und zeigte auf das Straßenstück vor dem Portal. »Wenn wir eine Reihe von Wagen dicht an dicht nebeneinanderstellen, kommt hier kein Springer-Auto mehr durch.« Er drehte sich um und sprach andere Autobesitzer an. Ulrike sah ihren Kollegen irritiert an. »Mein Auto?« sagte sie. »Mensch, das brauch ich doch. Nachher geht das kaputt.«
    »Paß auf, ich hab eine Idee«, antwortete er. »Stell das da hinten hin, auf den Fußweg, ganz dicht an die Hauswand. Dann gehört es irgendwie zur Barrikade, aber es blockiert die Ausfahrt nicht direkt.«
    Ulrike nickte. Sie stieg in den blauen R 4 , rumpelte über die Kante des Gehweges und parkte das Auto an der Wand. Sorgfältig schloß sie die Tür ab und ging wieder zu ihrem Kollegen. Gemeinsam beobachteten sie, wie die Barrikade langsam geschlossen wurde. Immer mehr Fahrzeuge wurden nebeneinandergestellt. Die Polizeibeamten, die an der Torausfahrt Posten bezogen hatten, griffen nicht ein.
    Diskutierend standen Studenten herum und wunderten sich, daß die Beamten seelenruhig dem Barrikadenbau zusahen. Plötzlich näherte sich von der Springer-Druckerei her ein Auslieferungsfahrzeug. Blitzschnell rannten die Polizisten nach vorn, packten zu zehnt jeweils einen der Blockadewagen, kippten ihn um, zerbeulten ihn mit Fußtritten und Schlagstockhieben und schoben ihn überkopf beiseite. Als die Straße freigeräumt war, jagte das Springer-Auto durch die Lücke.
    Später erhielt auch Ulrike Meinhof eine Strafanzeige wegen Nötigung. Im Prozeß erklärte sie, daß ihr Wagen zwar falsch geparkt, nicht aber Teil der Barrikade gewesen sei. Ihr Verteidiger begründete in einer flamenden Rede die Notwendigkeit der Blockade. Dennoch plädierte der Staatsanwalt auf Freispruch. Das Gericht schloß sich dem an.
     
    Gegen 22 . 30 Uhr traf der Demonstrationszug in der Kochstraße ein. Das Verlagsgebäude war von starken Polizeikräften umringt. Die Demonstranten, inzwischen weit über tausend, drängten auf das Eingangsportal zu. Steine flogen, Glasscheiben splitterten. Ulrike Meinhof und ihr Kollege standen weit hinten in der Menschenmenge. Pflastersteine wurden von hinten nach vorn durchgereicht. Ulrike Meinhof nahm Steine in die Hand und gab sie nach vorn weiter.
    Am Rande der Schlacht hatte ein Übertragungswagen des Rundfunks Stellung bezogen. Der Reporter berichtete live: »Wasserwerfer wurden eingesetzt, und ein Demonstrant versuchte, auf einen Wasserwerfer zu klettern. Es gelang ihm sogar, die Kanone des Wasserwerfers auf die Polizeigruppe zu lenken. Auch jetzt sind wieder Wasserwerfer im Einsatz. Die Situation hier ist, nachdem sie sich zunächst einmal beruhigt hatte, etwas unübersichtlich insofern geworden, als sich einige Gruppen zurückgezogen haben in die Nebenstraßen und dort offenbar auch den, wie ich glaube, teuflischen Plan ausgeheckt haben, hier etwas in Brand zu stecken, nämlich die Wagenhalle des Verlagshauses …«
    Der »teuflische Plan«, von dem der Rundfunkreporter sprach, war nicht von den Anti-Springer-Demonstranten erdacht worden. Er stammte von ganz anderer, höherer Stelle.
    An diesem 11 . April 1968 hatte der Verfassungsschutzagent Peter Urbach einen großen geflochtenen Weidenkorb dabei, vollgepackt mit zündfertigen Molotowcocktails. Er fand unter den Demonstranten bereitwillige Abnehmer für seine heiße Ware.
    Wenig später brannten die Auslieferungsfahrzeuge des Springer-Verlages, angesteckt mit Peter Urbachs Molotowcocktails. Die Fotos der lodernden Lastwagen gingen als Beleg für die Gewalttätigkeit der Berliner Studenten durch die Zeitungen.
    Ulrike Meinhof erklärte einen Tag später auf einem Teach-in im Audimax der Technischen Universität:
    »Wirft man einen Stein, so ist das eine strafbare Handlung. Werden tausend Steine geworfen, ist das eine politische Aktion.
    Zündet man ein Auto an, ist das eine strafbare Handlung, werden Hunderte Autos angezündet, ist das eine politische Aktion.«
     
    Die politische Aktion an jenem Osterwochenende in München kostete zwei Menschen das Leben, den Pressefotografen Klaus Frings und den Studenten Rüdiger Schreck. Beide waren bei einer Straßenschlacht schwer verletzt worden und

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