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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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dem Ergebnis: Baader hat seine Pistole mit dem Griff nach
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mit der rechten Hand an den Nacken gehalten und mit dem linken Daumen abgedrückt.
    Dieser Auffassung schloß sich der Staatsanwalt in seiner Einstellungsverfügung an.
    Die Kriminalpolizei war am Tatort zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen: »Waffe, Verletzung und Schmauchspur zusammen ergeben, daß die Pistole mit dem Griffstück nach
unten
an den Hinterkopf gesetzt wurde.« Diese konträre Auffassung der Kripo wurde in der staatsanwaltschaftlichen Einstellungsverfügung nicht berücksichtigt, nicht einmal erwähnt. Der Spurenauswertungsbericht der Kriminalpolizei kommt weiter zu dem Ergebnis: »Das abgefeuerte Geschoß drang nur noch mit schwacher Restenergie aus dem Schädel und blieb im unmittelbaren Bereich der Leiche liegen.«
    Bei der ersten Zellenbesichtigung waren die Mediziner zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen. Danach war es das tödliche Geschoß, »das durch den Kopf bis vor die Wand gegangen ist, von dort reflektiert wurde und auf den Boden zu liegen kam«.
    Die Abprallspur an der Wand wurde in den Spurensicherungsbericht aufgenommen: »Spur Nr.  6  – Gewebeteile oder Blut von der Wand.«
    Zusätzlicher Vermerk: »Befindet sich zur Untersuchung beim Gerichtsmedizinischen Institut der Stadt Stuttgart.«
    Von da an verliert sich die Spur der »Spur  6 «. Im Spurenauswertungsbericht der Kripo wurden zwar die Spuren 1 , 2 , 3 , 4 , 5 und 7 analysiert, nicht aber die »Spur  6 «. Von ihr war keine Rede mehr.
    Auch nachdem das geheimnisvolle Verschwinden der »Spur  6 « bekannt wurde, blieben die »Gewebeteile oder Blut von der Wand« unauffindbar. Sie waren in irgendeinem gerichtsmedizinischen Institut verschlampt worden.
    Einladung zur Spekulation.
    Im Falle Irmgard Möller gibt es ähnliche Widersprüchlichkeiten. Mediziner, Untersuchungsausschuß und Staatsanwaltschaft führten als Beleg für den Versuch der Selbsttötung übereinstimmend an: »Der von Irmgard Möller als einzige Bekleidung ihres Oberkörpers getragene Pullover war zwar auf der Vorderseite von Blut durchtränkt, jedoch nicht beschädigt; ein mit Tötungsabsicht Angreifender hätte auf die Kleidung seines Opfers erfahrungsgemäß keine Rücksicht genommen.«
    Irmgard Möllers Bekleidungsstücke wurden noch am 18 . Oktober von Beamten der Kriminaltechnischen Untersuchungsstelle Stuttgart aus dem Robert-Bosch-Krankenhaus, in dem sie ärztlich versorgt worden war, abgeholt. In dem Kripobericht heißt es: »Der Pulli ist so zerschnitten, daß seine ursprüngliche Form nicht mehr brauchbar rekonstruiert werden kann. An den vorhandenen Resten ist zu erkennen, daß der Pulli großflächig mit Blut durchtränkt ist. Stichbeschädigungen sind wegen des schlechten Zustandes nicht mit der gebotenen Sicherheit auszumachen.«
    Selbst wenn man unterstellt, daß der Pullover vor Irmgard Möllers Operation zum Entkleiden aufgetrennt wurde, ist nicht einzusehen, warum er dermaßen kleingeschnitten werden mußte, daß »Stichbeschädigungen« nicht mehr auszumachen waren.
    Zumindest hätte man von einem sorgsam ermittelnden Staatsanwalt erwarten können, daß er den Ursachen einer solchen Beweismittelzerstörung auf den Grund geht.
    Einladung zur Spekulation.
    Widersprüche gibt es zuhauf, kleine und große, gravierende und nebensächliche. Manche, an die phantasievolle Legenden geknüpft wurden, können leicht geklärt werden.
    Etwa die berühmten hellen Sandspuren an Baaders Schuhen, die die medizinischen Sachverständigen bei der ersten Zellenbesichtigung entdeckt hatten. Eindeutig belegt werden konnte die Herkunft der Partikel nicht.
    Schon machte ein Gerücht die Runde: Baader sei in der Nacht nach Mogadischu ausgeflogen worden, um die »Landshut«-Entführer zu täuschen. Nach Erstürmung der Maschine durch die GSG   9 sei er erschossen und nach Stammheim in seine Zelle zurückgebracht worden. Aus der Assoziation »Sand gleich Wüste« wurde eine ganze Theorie. Dabei hätte schon ein Blick auf den Globus gereicht, um festzustellen, daß die Entfernung zwischen Stuttgart und Mogadischu so groß ist, daß es schon eines »Starfighter« bedurft hätte, um die Strecke zwischen 23 . 00 Uhr abends und 7 . 00 morgens hin und zurück bewältigen zu können.
    Auch Irmgard Möller, einzige Überlebende der Todesnacht von Stammheim, erklärte in einer Broschüre, die im übrigen die Mordtheorie stützen sollte: »Andreas war [in der Nacht zum 18 . Oktober] keinen Moment

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