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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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es zum Beispiel: »Die Beschaffenheit der Mündung der Pistole, die links neben dem Kopf Baaders in seiner Zelle gefunden wurde, stimmte mit dem Erscheinungsbild der Eintrittsöffnung des Projektils im Nacken Baaders vollständig überein. Kriminaltechnische Untersuchungen ergaben außerdem, daß das tödliche Geschoß – wie auch die übrigen in Baaders Zelle vorgefundenen verschossenen Projektile – aus dieser Pistole abgefeuert worden war.«
    Aber es gab auch noch andere kriminaltechnische Untersuchungen in diesem Zusammenhang, die der Staatsanwalt nicht für erwähnenswert hielt.
    In seiner »Schußentfernungsbestimmung« stellte der Wissenschaftliche Rat im Bundeskriminalamt Dr. Roland Hoffmann Spuren fest, die mit einer »Selbstbeibringung« des tödlichen Schusses nur schwer in Einklang zu bringen sind.
    Dem BKA -Spezialisten war ein Hautteil aus Baaders Nacken zur Untersuchung zugeschickt worden. Er schrieb in seinem Gutachten: »In dem Hautteil befindet sich eine kanalförmige Verletzung, die … durch ein Projektil des Kalibers  7 . 65 entstanden sein kann. Auf der Hautoberseite ist die Verletzung von einer Prägemarke umgeben, deren Konturen dem Mündungsprofil der vorbezeichneten Pistole entsprechen.« In der Schmauchhöhle seien Spuren von Pulverschmauch gefunden worden. Der BKA -Gutachter kam zu dem Ergebnis: »Erfahrungsgemäß entstehen Prägemarke und Schmauchhöhle nur dann bei einem Schuß, wenn dieser mit aufgesetzter oder aufgepreßter Waffe abgefeuert wurde.«
    Ein aufgesetzter Schuß also.
    Zusätzlich untersuchte Hoffmann das Hautteil mit Hilfe der sogenannten Röntgenfluoreszenzanalyse, um die Höhe der auf der Haut abgelagerten Bleimenge festzustellen. Aus der »Impulsrate« kann die Schußentfernung abgeleitet werden.
    Auf der Oberseite der Haut stellte der Wissenschaftler eine »Impulsrate« von 14   300 Impulsen pro Sekunde fest.
    Zum Vergleich gab er aus der Tatwaffe Schüsse auf Schweinehaut ab, die ähnliche Eigenschaften aufweist wie menschliche Haut.
    Bei einem aufgesetzten Schuß kam er auf 74   000 Impulse pro Sekunde. Um die auf Baaders Nackenhaut festgestellte Impulszahl von 14   300 zu erreichen, mußte er mit der Pistole ein ganzes Stück zurückgehen. Er kam zu dem Ergebnis: »Vergleichsweise müßte der Tatschuß aus einer Entfernung zwischen dreißig und vierzig Zentimetern abgefeuert worden sein.« Ein aufgesetzter Schuß aus dreißig bis vierzig Zentimetern Entfernung also?
    Diesen offenkundigen Widerspruch erklärte der Wissenschaftler des Bundeskriminalamts so: »Da dies jedoch aufgrund der übrigen Befunde mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, muß eine Verschleppung von Pulverschmauchspuren stattgefunden haben.«
    Da hatte also jemand auf Baaders Schußwunde herumgefingert? Oder wie sonst soll eine »Verschleppung von Pulverspuren« zustande gekommen sein? Oder sind die Schüsse auf Schweinehaut doch nicht mit Schüssen auf menschliche Haut zu vergleichen? Oder hat der BKA -Gutachter vielleicht Baaders Pistole genommen, aber andere, stärkere Munition?
    Plausibel erklärt wird der offenkundige Widerspruch nicht, wie sich jemand mit aufgesetzter Pistolenmündung und gleichzeitig aus 30  Zentimeter Entfernung erschossen haben soll.
    Einladung zur Spekulation: Bei einer Pistole mit Schalldämpfer hätte man einen aufgesetzten Schuß und eine reduzierte Pulverschmauchablagerung zugleich. Da aber bei Baader eine Pistole ohne Schalldämpfer gefunden worden war, müßte es sich dann um Mord gehandelt haben. Und daran kann sich sofort die nächste Mutmaßung anschließen: Wenn keiner der Gefangenen in den Zellen unter Baader in jener Nacht einen Schuß gehört hat, könnte die Erklärung eben jener Schalldämpfer sein. Derartigen Erwägungen vorbehaltlos nachzugehen wäre die Aufgabe eines Staatsanwaltes gewesen; zumal in einem solchen Fall.
    Der ermittelnde Staatsanwalt hatte das Gutachten über die Schußentfernung bei Baader fast zwei Monate vor Abschluß seiner Untersuchungen vorliegen – erwähnt hat er es mit keinem Satz. Der Stuttgarter Untersuchungsausschuß hatte es leichter: Er schloß seinen Bericht ab, bevor das BKA -Gutachten überhaupt fertig war.
    In der Todesermittlungsakte – an die zehn Ordner – stehen noch mehr Widersprüche. So etwa zu der Frage, wie Baader die Pistole gehalten haben muß, um sich den tödlichen Schuß beizubringen. Die medizinischen Gutachter kommen aufgrund der Blut- und Pulverschmauchspuren an Baaders Händen zu

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