Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
Vom Netzwerk:
seine Beratertätigkeit für die »Studienstiftung des deutschen Volkes« kennengelernt hatte:
    »Sehr verehrter, lieber Herr Professor Heinitz, ich mag damit nicht warten, weil ich mich wirklich sehr darüber freue: Ihnen ganz herzlich für die herrlichen Schokoladen und die allerwichtigsten Zigaretten zu danken! Solche Dinge (aus dem Himbeerreich) versehen die Zelle und das heißt eben mich selbst mit einem Glanz, der unendlich wohltut – aber das wissen Sie.
    Herzliche Grüße Ihre Gudrun Ensslin.«
     
    In der Zwischenzeit war der bei dem Anschlag schwer verletzte Rudi Dutschke auf dem Weg zur Besserung.
    Der Komponist Hans Werner Henze stellte ihm sein Anwesen in der Nähe von Rom zur Verfügung. Dort erhielt er Besuch von Bernward Vesper und Ulrike Meinhof. Vesper wollte in seiner »Voltaire Edition« einen Band »Briefe an Rudi D.« herausbringen. Dutschke notierte am 18 . August in seinem Tagebuch: »Ulrike wollte schon Interview, war mit Vesper gekommen. Wie schwer war mir schon die Einleitung zu den Briefen gefallen.«
    Auf der Reise versuchte Vesper, mit Ulrike Meinhof anzubändeln. Später schrieb er: »Ich will nicht, daß du mich ins Bett quatschen mußt, sagte Ulrike. Das Zimmer war blau. Beim ersten Zug war sie high. Später weinte sie. Über das Loch in ihrem Schädel spannte sich eine dünne Haut, sagte Klaus Rainer Röhl …«
    In Rom, an der Fontana di Trevi, blieben die beiden stehen. »Jetzt wirfst du mir vor, daß wir für Konkret Geld aus der DDR angenommen haben?« fragte Ulrike Meinhof. »Nein«, sagte Vesper. Dann »saugten ihn die Straßen, die Kulissen« weg. »Ganz in der Ferne, auf jenem Platz, der aussieht wie eine Riesenvotze, in der der Obelisk eines Penis steht, blieb sie zurück«, schrieb Vesper.
    Es war der Platz, an dem fast genau zwei Jahre später ihre Kinder, die entführten Zwillinge Regina und Bettina, ihrem Vater zurückgegeben wurden.
     
    Am 14 . Oktober 1968 begann der Prozeß gegen die Kaufhausbrandstifter. Gudrun Ensslin trug eine weinrote Kunstlederjacke im Military-Look. Lachend umarmten die vier einander und warfen mit Bonbonpapier.
    Neun Anwälte saßen auf der Verteidigerbank, unter ihnen Otto Schily, Horst Mahler und Professor Heinitz.
    Die Angeklagten äußerten sich zunächst nicht zu ihrer Tat. »Gegen eine Klassenjustiz, in der die Rollen verteilt sind«, erklärten sie, »lohnt sich eine Verteidigung nicht.« Die politische Demonstration, die im Bekenntnis zur Brandstiftung lag, mußte einstweilen hinter der Angst zurückstehen, für Jahre im Gefängnis zu landen.
    Andreas Baader bat seine alte Freundin Ello um ein gutes Leumundszeugnis vor Gericht. Er schrieb ihr zwei Tage nach Prozeßbeginn: »Weil es jetzt schließlich um sieben Jahre gehen soll oder vielleicht nur um drei (und du vielleicht willst, daß wir irgendwann wieder bummsen, streiten und lieben), ist wichtig, was die für ein Bild von mir haben, und weil ich nichts über mich sagen kann, wirst du es malen müssen.« Es müsse ein »Gesang dreckiger grüner Lügen« sein, etwa so: Soweit sie sich erinnern könne, sei er jemand, der niemals auf die Idee komme, ein Kaufhaus anzuzünden. Er sei immer nur für spielerische und nicht für gewaltsame Aktionen gewesen.
    Dann versuchte er, Ello dazu zu bringen, frühere Aussagen über seinen gewalttätigen Charakter zurückzunehmen: »Katze – du sagst, daß ich dich einmal geschlagen habe, als ich besoffen war … daß sie es aus dir rausgepreßt haben, dir in den Mund gelegt, genau wie die Idee, ich sei jemand, der anderen seinen Willen aufzwingt«.
    Erst am dritten Prozeßtag meldeten sich die Angeklagten zu Wort. Gudrun Ensslin sagte: »Im Einverständnis mit Andreas Baader will ich etwas erklären: Er und ich haben es im Kaufhaus Schneider gemacht. Keiner der anderen war es.« Es sei nicht ihre Absicht gewesen, Menschen zu gefährden, sie hätten nur Sachen beschädigen wollen. »Wir taten es aus Protest gegen die Gleichgültigkeit, mit der die Menschen dem Völkermord in Vietnam zusehen.« Man solle ihr aber nicht mit der billigen Erklärung kommen, daß man in einer Demokratie den Protest laut äußern könne. »Wir haben gelernt, daß Reden ohne Handeln unrecht ist.« Zugleich räumte sie aber ein, die Aktion sei »ein Fehler und ein Irrtum« gewesen. »Darüber werde ich aber nicht mit Ihnen diskutieren, sondern mit anderen.«
    Andreas Baader ergänzte: »Ich gebe zu, am 2 . April nach Ladenschluß in einen altdeutschen Schrank im

Weitere Kostenlose Bücher